Wandfliesen mit biblischen Motiven

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Einführung

Das Schlossmuseum Jever beherbergt einen Bestand von ca. 2600 niederländischen Wandfliesen aus der Zeit vom 17.-19. Jahrhundert. Sie kommen überwiegend aus den friesischen Manufakturen Harlingen und Makkum. Nur wenige Exponate müssen anderen Fabrikationsorten wie Rotterdam, Utrecht und Hannoversch Münden zugeschrieben werden. Größtenteils stammen sie aus der Stiftung des Bauern Johann Mehnen Abrahams (1840-1924) aus Neuender-Altengroden und dessen Ehefrau Catharine Johanne, geb. Harms aus Langewerth (1850-1883).

Es handelt sich durchweg um zweitverlegte Fliesen mit entsprechenden kleinen oder größeren Beschädigungen. Anhand der Jeveraner Fliesen läßt sich auch gut feststellen, daß nicht nur die 1. Wahl sondern auch fehlerhafte Fliesen ihre Abnehmer in der Bevölkerung fanden. So können neben den durch die Zweitverlegung entstandenen Beschädigungen sowohl Abdrücke von Brennhilfen, Glasurblasen, Glasierfehlstellen, als auch die sog. “Elefantenhaut” (eine faltige Oberflächenstruktur) bei den Fliesen nachgewiesen werden. Anders ist es mit den Exemplaren, die Haarrisse haben: dieses häufige Symptom wird oft erst lange nach dem Brand sichtbar, ein Herstellungsfehler also, der kein Kaufkriterium gewesen sein kann.

Auf den folgenden Seiten soll nun ein kleineres Konvolut – die Fliesen mit biblischer Thematik – vorgestellt werden. Insgesamt 145 Exemplare mit biblischen Szenen – größtenteils mit Darstellungen aus dem Neuen Testament – haben sich erhalten. Fast alle sind in der traditionellen Farbkombination blau/weiß gefertigt, nur vereinzelt kann man in Jever auch eine Bibelfliese mit einem manganfarbenem Dekor auf weißem Grund betrachten. Die hier vorgestellten Bibelfliesen kann man zeitlich zwischen 1770/1780-1800/1840 einordnen.

Der Stifter der jeverschen Wandfliesensammlung
Der Stifter Johann Mehnen Abrahams und seine Frau Catharine JohanneDer Stifter Johann Mehnen Abrahams und seine Frau Catharine Johanne, geb. Harms. Das Foto befindet sich im Besitz des Schloßmuseums Jever.
Kurze Einführung in die Herstellungstechnik

Da im folgenden immer wieder auf herstellungsbedingte Auffälligkeiten bei den Bibelfliesen hingewiesen werden wird, soll an dieser Stelle kurz auf die Herstellungstechnik eingegangen werden. Folgende Arbeitsabläufe gehören dazu:

  1. Das Formen der Fliese aus Ton unter Benutzung eines Formrahmens und eines Rundholzes.
  2. Das Trocknen der Fliese bis sie lederhart geworden ist.
  3. Das Zuschneiden auf 13,5 x 13,5 cm mit Hilfe einer Holzplatte.
  4. Das Durchtrocknen der Fliese.
  5. Der Schrühbrand.
  6. Das Übergießen der Fliese mit weißer Zinnglasur.
  7. Das Aufbringen des Dekors mit Hilfe einer Sponse.
  8. Die Bemalung der Fliese mit Glasur.
  9. Der Glattbrand.

Begriffserklärungen

Backpunkte:
Beim Zuschneiden der lederharten Fliese wird eine Holzplatte verwendet, die in 2 – 4 Ecken je einen Nagel aufweist, der die Schablone zum Schneiden der Fliese im Tonmaterial fixiert. Die “Nagelpunkte” sind beim fertigen Produkt als sog. “Backpunkte”, d.h. als Löcher zu sehen. Sie bilden ein gutes Datierungskriterium, da sie nur bis 1862 (in Harlingen) bzw. 1880 nachweisbar sind. Von da ab wird das Zuschneiden mit Maschinen gemacht, bei denen keine genagelten Platten mehr vonnöten sind. Erst heutzutage trifft man bei den neuen Fliesen nach alten Vorbildern aus Harlingen wieder Backpunkte an.
Brennhilfeabdrücke/Stapelfehler:
Um große Mengen von Brenngut im Ofen zu stapeln, ohne daß die glasierten Fliesen aneinanderkleben, benutzt man sog. Stapel- bzw. Brennhilfen, die ebenfalls aus – allerdings unglasiertem – Ton gefertigt sind. Dennoch kann es zu einem Verrutschen der Fliesen kommen, so daß das Brenngut sowohl mit einer Stapelhilfe als auch mit einer anderen Fliese (oder einem anderen zu brennenden Stück) zusammenkleben kann. Nach dem Brand können mit Hilfe einer Zange manchmal die festklebenden Teile bis auf einen kleinen Rest – den sog. Brennhilfeabdruck bzw. den Stapelfehlerrest – entfernt werden. Ist dieses der Fall, kann eine Fliese zumindest noch als zweite Wahl verkauft werden.
Glasurausgasungen:
Bei einem Teil der Fliesen läßt sich eine feine bis grobe, blasige Oberfläche erkennen. Hier ist aufgrund der chemischen Zusammensetzung der Glasur sowie wegen einer zu starken Glattbrandhitze die Glasur kraterförmig aufgeplatzt.
Haarrisse:
Haarrisse entstehen in der Abkühlphase des Glasurbrandes, wenn sich die Glasur stärker zusammenzieht als der darunterliegende Scherben. Es kann allerdings passieren, daß die entstandenen Spannungen in der Glasur sowohl durch die Festigkeit als auch durch die Elastizität der Glasur zeitweilig noch aufgefangen werden und das Brenngut scheinbar unbeschädigt aus dem Ofen genommen wird. Durch thermische Belastung sowie die Aufnahme und Abgabe von Feuchtigkeit durch den porösen Scherben im täglichen Umgang werden diese Spannungen so verstärkt, daß sich im Laufe einer längeren Zeitspanne (innerhalb vieler Jahre) Risse bemerkbar machen.
Sponse:
Darunter versteht man eine Durchstaubschablone, die aus einem Papierstück in der Größe der zu bemalenden Fliese bzw. des Tableaus besteht. Auf ihr ist das Motiv, das oft auf einen Kupferstich o.ä. zurückgeht, gezeichnet. Es wird mit Hilfe einer Nadel durchstochen. Um nun das Muster auf die Fliese zu übertragen, wird mit einem Stoffsäckchen, das mit Kohlepulver gefüllt ist, auf die Sponse geklopft und dabei werden die Umrißlinien auf der Fliese als feine Kohlepuderlinien (der sog. “trek”) sichtbar.
Literatur
Hamer, Frank; Hamer, Janet: Lexikon der Keramik und Töpferei. Material – Technik – Geschichte. Augsburg 1990.
Pluis, Jan: Bijbeltegels. Bijbelse voorstellingen op Nederlandse wandtegels van de 17e tot de 20e eeuw. – Bibelfliesen. Biblische Darstellungen auf niederländischen Wandfliesen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Münster 1994.
Pluis, Jan: De Nederlandse tegel. Decors en benamin- gen. – The Dutch Tile. Designs and Names (1570-1930). Leiden, 2. Auflage 1997.

Allgemeines zu Bibelfliesen
Bibelfliesen kommen in der niederländischen Produktion seit dem späten 17. Jahrhundert vor. In dieser Zeit wurden sowohl die Bevölkerung als auch in verstärktem Maße die Künstler (also diejenigen, auf deren Motive die Fliesenmaler zurückgriffen) von der Strömung des Pietismus ergriffen. Das Ergebnis war, daß Bibelfliesen sowohl zur Unterstützung des religiösen Unterrichts für die analphabetische Bevölkerung als auch als Wandschmuck zur Erbauung benötigt und gefertigt wurden.

Herstellungshöhepunkt war im 18. Jahrhundert – vor allem mit einem Motiv im Kreis und je einem “Ochsenkopf” als Eckmuster. Im 19. Jahrhundert flaute die Produktion dagegen stark ab und verlagerte sich gleichzeitig nach Utrecht, wo bevorzugt manganbraune, mit Textstellen versehene Exemplare gefertigt wurden. Bei den anderen Manufakturen verschwanden die Bibelfliesen fast völlig aus dem Programm.

Anhand der Manufaktur Tichelaar in Makkum kan man das nachlassende Interesse an friesischen Bibelfliesen gut verfolgen. Hatte der prozentuale Anteil der Fliesen mit biblischen Darstellungen zwischen 1776-1793 noch 7% der Gesamtproduktion umfaßt, so sind es in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts weniger als 0,8% aller Fliesen. Hauptabnehmer waren deutsche Kunden, vor allem Hamburger. Die Harlinger Fliesen wurden in erster Linie nach Ostfriesland und Schleswig-Holstein verkauft.

Zwischen 1795-1806, zur Zeit der sog. “Batavischen Republik”, kam es noch einmal zu einem letzten Produktionshöhepunkt bei Fliesen mit Bibelthemen bei Tichelaar. In diesem Zusammenhang dürften die in Jever vorhandenen Fliesen zu sehen sein, wenngleich das Jeverland traditonell von Harlinger Manufakturen beliefert worden ist.

Bei den friesischen Bibelfliesen, die sich in Jever finden, lassen sich zwei Grundtypen unterscheiden:

Basterde histories/ Histories met wolken

Histories op land in cirkel

1. Unter “Basterde histories” oder “kleine histories” (Typ A2 und A4 nach Pluis 1984, S. 84) versteht man Fliesen aus Friesland, mit schlichten Darstellungen, die – unabhängig von dem in der Bibel angegebenen Handlungsort (im Haus oder in der Landschaft) – von zwei Hügeln mit geschwämmelten Bäumchen eingefaßt sind. Den Herstellungsort (jedoch nicht die jeweilige Manufaktur) kann man anhand der Baumform unterscheiden. So weisen Harlinger Fliesen dreistämmige Bäume auf, deren Blattgruppen getrennt angeordnet sind. Die Blattgruppen der Bäume aus Makkum und Bolsward sind dagegen ohne Abstände aneinandergeschwämmelt. Einen Anhaltspunkt zur Manufaktur kann man nur anhand der Fertigungsbücher bekommen, da nicht jede Produktionsstätte jedes Motiv gefertigt hat.

Als Eckmotiv wird traditionell das “Ochsenkopfmuster” verwendet. Die Färbung ist üblicherweise blau auf weißem Grund, allerdings gibt es v.a. aus dem beginnenden 19. Jahrhundert auch manganfarbene Exemplare.

Daneben findet sich auch vereinzelt die preiswertere Bibelfliesen-Variante, die sog. “histories met wolken”, die statt des Ochsenkopfmusters einen Spinnenkopf als Eckmotiv haben. Diese Fliesen sind zum überwiegenden Teil in blau/weiß gehalten, in ihrer Entstehung ursprünglich älter als die Basterde histories und haben im Gegensatz zu diesen einen erneuten Höhepunkt in den 1840er Jahren.

2. Die “histories op land in cirkel” (der ursprünglich gebräuchliche Name für diese Fliesengruppe ist nicht überliefert) – stammen aus Harlingen. Typisch für sie ist eine biblische Szene auf einem kleinen Boden, umgeben von einem Zwei- bis Dreifachkreis. Die Farbgebung ist immer blau auf weißem Grund. Zeitlich sind sie vor allem aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts überliefert, kommen aber auch noch bis in 19. Jahrhundert vor. Pluis 1984, S. 84 rechnet hier auch die “Histories met wolken” zu, da die “histories op land in cirkel” (Typ B4 und B5 nach Pluis 1984) traditionell einen Spinnenkopf als Eckmotiv haben.

Auffällig ist, daß die teureren “Basterde Histories” mit 132 Exemplaren die am stärksten vertretene Gruppe der Bibelfliesen in Jever stellen, während die “histories met wolken” nur zehnmal, die “histories op land in cirkel” sogar nur dreimal nachweisbar sind.

Vermutlich ist ein Teil der Bibelfliesen von Hendrik Annes gefertigt worden, der in der Manufaktur Tichelaar um 1800 beschäftigt war. Allerdings läßt sich hierzu nichts Endgültiges sagen, da die Fliesen in Jever eingemauert sind und somit die Rückseite – die ja Signaturen enthalten kann – zur wissenschaflichen Bearbeitung nicht zur Verfügung steht. Ebenso ist die zeitliche Zuordnung eingeschränkt, da die Fliesentiefe aufgrund derselben Ursache nicht meßbar ist und eine Datierung nur anhand des Eckmotivs Ungenauigkeiten birgt.

Feststellen läßt sich jedoch, daß nur 19 Fliesen aus Harlingen kommen, während die restlichen 126 der Makkumer Manufaktur Tichelaar zugeordnet werden können. Dieses ist anhand von Strichen und Bögen zu erkennen, die prinzipiell links von einem im Vordergrund befindlichen Grasbüschel, plaziert sind. Bei der Manufaktur Kingma in Makkum wie auch in Harlingen findet sich diese Verzierungsvariante nicht.

Diese Präsentation wurde erarbeitet von Dr. Maren Dieke.