Das Schlossmuseum Jever besitzt eine archäologische Sammlung mit Artefakten aus der Steinzeit. Technische Innovationen und mit ihnen Ackerbau und Viehzucht sind Erscheinungen, die ihren Ursprung im 9. Jahrtausend v.Chr. im Bereich des Vorderen Orients haben und sich von dort in mehreren Stufen über Europa verbreiteten. Diese Veränderungen, die insbesondere in der Jungsteinzeit durch archäologische Untersuchungen und Funde aus jener Zeit fassbar sind, lassen sich durch die Sammlungsgegenstände im Schlossmuseum ebenso für den Nordwesten Deutschlands nachweisen.
Die in der Schlossgraft von Jever gefundene steinerne Axt stammt aus einer Epoche, in der die friesische Landschaft noch einen ganz anderen Charakter besaß als heute. Damals, in der Jungsteinzeit, hatte die so genannte “Neolithische Revolution” zu grundlegenden Veränderungen im Leben der Menschen geführt. Im Laufe der Jahrtausende waren aus Jägern, die stets an die Wanderbewegungen ihrer Beutetiere gebunden waren, um ausreichend Nahrung zu finden, sesshafte Bauern und Viehzüchter geworden. Die Kenntnis der neuen Wirtschaftsformen gelangte zum einen über den Balkan nach Westeuropa, zum anderen entlang der Atlantikküste auch in die Nordseeregion. Die Neolithisierung des Flachlandes südlich der Ost- und Nordseeküste war eine Folge des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels der protoneolithischen Menschen, die ihren gewohnten Lebensraum verließen und sich neue Techniken aneigneten. So wird der Beginn der Jungsteinzeit im norddeutschen Raum erst mit Auftreten der Trichterbecherkulturen um 4.300 v.Chr. datiert. Für die Westgruppe der Trichterbecherkultur, die auch Friesland einschließt, ergibt sich eine Datierung zwischen 3.400 und 2.800 v.Chr.
Der Anbau von Getreide und anderen Nutzpflanzen sowie die Viehwirtschaft machten die Menschen unabhängig von den jahreszeitbedingten Wanderungen der Herden. Andere Herausforderungen kamen nun auf sie zu: Durch Roden von Baumbeständen wurden Ackerflächen nutzbar gemacht, mit dem Holz Häuser erbaut. Diese neuen Aufgaben erforderten spezielle Werkzeuge und Geräte, die zum einen aus bekannten Formen weiterentwickelt, zum anderen den Anforderungen entsprechend neu erfunden werden mussten.
In der Jungsteinzeit gehörten Steinäxte und Beile zu den bedeutendsten Geräten, die nicht nur als Waffen im Nahkampf eingesetzt wurden, sondern insbesondere bei der landwirtschaftlichen Erschließung des norddeutschen Flachlandes Verwendung fanden. Holz war der wichtigste Roh- und Baustoff in jener Zeit und diente zudem als Energieträger. Folglich stellte die Gewinnung und Bearbeitung von Holz einen zentralen Punkt im Leben der Jungsteinzeitler dar.
Der Unterschied zwischen einer Axt und einem Beil liegt in der Art der Schäftung begründet. Während ein Beil ohne Lochung auskommt und mit Lederbändern an einen vorgefertigten Schaft gebunden wurde, ist bei einer Axt eine unterschiedliche Art der Befestigung gewählt.
Eine Axt – unabhängig von der Art des Materials – weist ein Schaftloch auf, also eine Bohrung, die durch den Körper des Werkzeugs getrieben ist. Der Axtkopf wurde so auf einen Holzstiel aufgesteckt und zusätzlich mit Lederbändern fixiert.
Die Steinwerkzeuge der Jungsteinzeit zeichnen sich durch ihre handwerklich hohe Qualität aus. Die sesshafte Lebensweise ermöglichte erstmals neben dem Gebrauch von Tongefäßen auch die zeitaufwendige Herstellung geschliffener Geräte. Als Material für Beile und Äxte diente meist Felsgestein, das zunächst in eine grobe Form gebracht wurde. Anschließend musste bei einer Axt das Schaftloch gebohrt werden – hierbei diente Sand als Schleifmittel -, bevor die Oberfläche des Werkzeugs in mehreren Schritten geschliffen und poliert wurde.
Christin Rudolph
Literatur:
Beiträge für Wissenschaft und Kultur, Bd 2, Zur jüngeren Steinzeit in Norddeutschland. Einblick in das Leben der ersten Bauern, Langenweißbach. (Veröffentlichungen der Freien Lauenburgischen Akademie für Wissenschaft und Kultur)
Emil Hoffmann, Lexikon der Steinzeit, München 1999. (Beck’sche Reihe Bd. 1325)
Ernst Probst, Deutschland in der Steinzeit, München 1999.
Wolfgang Schwarz, Die Urgeschichte in Ostfriesland, Leer 1995.
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