Im Katalog zur Ausstellung “Jeversches Silber”, die vom 7.12.1997 bis zum 15.1.1998 im Schlossmuseum Jever zu sehen war, wird der jeversche Goldschmied Carl Altona nur kurz im Zusammenhang mit seiner Familie erwähnt. Der Katalog geht wie die übrige Literatur über die Familie Altona von nur einem erhaltenen Werkstück Carl Altonas aus: Einem Silberlöffel, der sich in Privatbesitz befindet.
Mittlerweile besitzt das Schlossmuseum drei Silberlöffel, die alle aus der Werkstatt Carl Altonas stammen. Grund genug, dem letzten Gold- und Silberschmied der bekannten jeverschen Familie etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Carl Altona konnte auf eine lange familiäre Tradition im Gold- und Silberschmiedehandwerk zurückblicken. Der erste in Jever tätige Silberschmied war Gabriel Rudolf Altona. Er wurde am 27. Februar 1766 als zweiter Sohn des Zinngießers Herman Altona in Esens geboren. 1795 zog er mit seinem Cousin Ulrich Georg Albrecht Altona nach Jever, wo sich beide als Gold- und Silberschmiede niederließen. Gabriel Rudolf Altona starb 1827. Sein Sohn Hermann Altona führte die Werkstatt weiter.
Ulrich Georg Albrecht Altona wurde 1772 in Esens geboren und kam wie bereits erwähnt 1795 nach Jever. Er heiratete insgesamt viermal. Neben seinem jüngsten Sohn Carl wurden auch seine Söhne aus zweiter Ehe Otto Helmerich und Ulrich Altona Gold- und Silberschmiede. Das Schlossmuseum Jever besitzt vier Ess- und vier Teelöffel, die Ulrich Altona zugeschrieben werden.
Carl Altona wurde am 26. Februar 1818 als Sohn von Ulrich Georg Albrecht Altona und seiner vierten Frau Anna Catherina geboren. Er trat wie seine älteren Halbbrüder Otto Helmerich und Ulrich in die Fußstapfen des Vaters und wurde Gold- und Silberschmied. 1846 erhielt er die Bürgerschaft der Stadt Jever. Am 2. Mai 1849 heiratete er die Schlossermeistertochter Dorothea Ulrike Marie Henriette Helmers, die nach seinem Tod die Werkstatt wahrscheinlich mit Hilfe von Gesellen weiterleitete. Besonders bekannt waren die Rosenmusterlöffel der Familie Altona, die auch Carl Altona und später seine Witwe sehr häufig verkauften. Am 26. Dezember 1881 starb Carl Altona im Alter von 63 Jahren.
Sein Schaffen fällt in eine von technischen Neuerungen geprägte Zeit. Das Gold- und Silberhandwerk wurde durch die zunehmende Industrialisierung einem starken Wandel unterworfen. Während zu Beginn des 19. Jahrhunderts Bestecke noch vorrangig von Hand gefertigt wurden, tauchte in der zweite Hälfte des Jahrhunderts vermehrt die Fabrikware auf und verdrängte die Handarbeit zusehends.
Der erste Löffel Carl Altonas, den das Schlossmuseum Jever 1999 käuflich erwarb, ist ein silberner Esslöffel mit spitzovaler Laffe und geschwungenem, flachen Stiel (Abb.1). Der Löffel trägt keinerlei Ornamente. Auf der Rückseite des Stielendes befindet sich die Meistermarke Carl Altonas und der jeversche Löwe als Beschauzeichen. Des Weiteren ist auf der Rückseite der Name A.C. Tiarks und die Jahreszahl 1859 eingraviert. Durch diese Gravur lässt sich der Löffel nicht nur recht genau datieren, auch über seine mögliche Funktion gibt sie Auskunft. Der eingravierte Name deutet darauf hin, dass der Löffel wahrscheinlich zu einem besonderen Anlass verschenkt wurde, z.B. zur Taufe oder als Teil der Aussteuer. Möglicherweise wurde der Löffel zu diesem Zweck extra angefertigt.
Der zweite Löffel gelangt im Jahr 2000 in den Besitz des Schlossmuseums (Abb.2). Er ähnelt dem ersten Löffel sehr in der Form, allerdings ist er um ca. 3 cm kleiner. Aufgrund der Größe lässt sich mutmaßen, dass der Löffel für ein Kind bestimmt war. Auf der Rückseite des Stielendes befindet sich die Meistermarke Carl Altonas und der jeversche Löwe als Beschauzeichen. Die Meistermarke entspricht der des ersten Löffels. Ansonsten gibt der Löffel keine Anhaltspunkte für eine genauere Datierung oder Funktionsbestimmung.
Besonders interessant ist der dritte Löffel, der am 20.08.2001 mit dem Nachlass von Hildegard von Thünen (14. Juli 1918 – 03. Juli 2001) an das Schlossmuseum Jever ging (Abb.3). Er ist wie der zweite Löffel von geringer Größe, weist aber in der Form einige Unterschiede auf: Er hat eine spitzovale Laffe, die in einen Spatenstiel mit hoch aufragendem Ansatz übergeht. Wie die anderen Löffel trägt er auch auf der Rückseite des Stiels die Meistermarke Carl Altonas und den jeverschen Löwen als Beschauzeichen.
Auffällig ist, dass der Löffel starke Gebrauchsspuren aufweist und recht blank ist. Eine weitere Besonderheit ist die deformierte Laffe des Löffels (Abb.4). Betrachtet man die Deformation genauer, fällt auf, dass sie nicht durch natürliche Abnutzung entstanden sein kann, sondern durch absichtliches Abschleifen. Vermutlich wurde der Löffel nachträglich bearbeitet, um die Nahrungsaufnahme zu erleichtern. Die durch das Schleifen entstandene, scharfe Kante könnte dabei zum Zerkleinern der Nahrung verwendet worden sein. Es gibt Löffel in ähnlicher Form, die Kindern das Essen vereinfachen sollen. Ob der Löffel für einen ähnlichen Zweck eingesetzt wurde, bleibt fraglich.
Auf dem Stiel des Löffels sind die Initialen “HvT” eingraviert. Da der Löffel aus dem Nachlass von Hildegard von Thünen stammt, lässt sich annehmen, dass die Buchstaben für ihren Namen stehen. Falls diese Annahme zutrifft, muss der Löffel nachträglich graviert worden sein, da Hildegard von Thünen erst im Jahre 1918, also über dreißig Jahre nach dem Tod von Carl Altona, geboren wurde. Möglicherweise war der Löffel bereits seit einigen Jahren im Familienbesitz und wurde Hildegard von Thünen zu einem besonderen Anlass, z.B. zur Taufe, zum Geschenk gemacht. Des Weiteren unterscheidet sich der Löffel durch sein Dekor von den anderen. Auf dem Spatenstiel befindet sich ein Muschelornament, das aufgelötet wurde. Erkennbar ist das an den Resten des Weichlotes neben dem Ornament.
Das Muschelmotiv wird in der Besteckherstellung seit dem 17. Jahrhundert verwendet. Im 19. Jahrhundert begann man solche und ähnliche Ornamente zu prägen und auf das glatte Besteck aufzulöten. Wenn ihnen die Herstellung selbst nicht möglich war, konnten die Silberschmiede solche Applikationen auch ankaufen. Fraglich ist, ob die Muschel von Anfang an Bestandteil des Löffels war. Die etwas nachlässige Anbringung und der Vergleich mit den anderen Löffeln sprechen dagegen. Die beiden vorliegenden Löffel von Carl Altona tragen keinerlei Dekor. Aber auch der Vergleich mit den Löffeln von Ulrich Altona gibt keinen Aufschluss. Die Löffel sind nur durch eingravierte Motive geschmückt, die meist florale Formen nachahmen. Das Muschelmotiv und die Anbringungsweise sind Einzelfälle.
Fasst man diese Aspekte zusammen, so ergibt sich für den Löffel eine interessante Entwicklung. Es ist anzunehmen, dass seine äußere Form insgesamt dreimal entweder nach dem Geschmack oder den Bedürfnissen seines Besitzers verändert wurde.
Das Schlossmuseum Jever besitzt mit diesen Löffeln drei eindrucksvolle Stücke des letzten Vertreters der bekannten jeverschen Gold- und Silberschmiedefamilie Altona und des regionalen Silberschmiedehandwerks des 19. Jahrhunderts.
Ilka Voermann
Literatur:
Friesland. Ein Heimatbuch für die Friesische Wehde, Varel, das Jeverland und Wilhelmshaven. Jever 1950. S. 368 f.
Jaschkowitz, Tanja: Jeversches Silber. Spezialisiertes Handwerk in einer kleinen Residenzstadt. Oldenburg 1997.
Müller, G.: Die Silbermarke der Stadt Jever. Sonderdruck aus: Oldenburger Jahrbuch 1930. S. 82-91.
Scheffler, Wolfgang: Goldschmiede Niedersachsens. Daten. Werke. Zeichen. Berlin 1965.
Riemann, Christiane [Bearb.]: Messer. Gabel. Löffel. Ausstellung. Museum für Kunsthandwerk. Frankfurt am Main 1995.
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