Münzen und Banknoten sind mehr als nur Zahlungsmittel. Sie zeigen auch, wie der Staat, der sie in Umlauf setzt, sich selber sieht – und wie er gesehen werden will! In der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts – aus dieser Zeit stammen die beiden Scheine – war das Deutsche Reich seit vierzig Jahren eine europäische Großmacht. Auf der Rückseite des ,langen Hunderters’, seinerzeit das Monatsgehalt eines kleinen Beamten oder Angestellten, symbolisiert die Figur der ,Germania’ die Vereinigung der deutschen Stämme und die Erneuerung des mittelalterlichen Reiches.
Allerdings trägt sie nicht die Krone der alten Kaiser, und auch der Adler auf dem Schild ist nicht mehr der doppelköpfige Wappenvogel des ,Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation’, sondern ein Klon des preußischen Adlers. Schild und Schwert, ein Stück aus der Scheide gezogen, erinnern daran, dass Kaiser und Reich aus der militärischen Konfrontation mit Frankreich hervorgingen, und mahnen zu steter Wachsamkeit gegen den äußeren Feind. Eine zeitgemäßere Variante der damals gerne beschworenen ,schimmernden Wehr’ erscheint in der linken Bildhälfte: Schlachtschiffe der neuen deutschen Flotte, mit der die Hohenzollernmonarchie Anspruch auf Seegeltung und ,Weltmacht’ erhob. Aus dem Dämmer der germanischen Vorzeit – dafür steht die ,deutsche Eiche’ – zum ,Platz an der Sonne’: das ist die Botschaft dieses Geldscheins!
Seinem Spitznamen ,langer Hunderter’ macht das vorliegende Exemplar übrigens keine Ehre, denn irgendjemand hat es seitlich um gut 5 Zentimeter beschnitten: Es fehlt das Wasserzeichenfeld mit dem Kopf Wilhelms I., den sein Enkel, der zweite deutsche Kaiser dieses Namens (1859 – 1941, reg. 1888 – 1918), so sehr verehrte, dass er ihn öffentlich als ,den Großen’ zu apostrophieren pflegte. Dass das Deutsche Reich sich durch Erfindergeist und Gewerbefleiß zu einer Wirtschaftsmacht ersten Ranges emporgearbeitet hatte, wird auf der Banknote nur am Rande erwähnt. Die Symbole von Landwirtschaft (Pflug), Handwerk (Hammer und Amboss), Handel (Merkurstab und Warenballen) und Industrie sind im Vordergrund links zu einer malerischen Gruppe arrangiert, in der die Industrie – mit einem Zahnrad – freilich deutlich unterrepräsentiert ist. Kein Wunder, denn die Arbeiterschaft wählte mehrheitlich sozialdemokratisch und passte nicht ins deutschtümelnd-heroische Bild.
Die Vorderseite der Reichsbanknote – im Unterschied zum Reichskassenschein nicht vom Staat herausgegeben, sondern von der Reichsbank – , ist weniger spektakulär. Merkur und Ceres, die Gottheiten von Handel und Ackerbau, waren damals weltweit Ikonen der Banknoten-Designer. Dass die Kaiserkrone, die sonnengleich einen Strahlenkranz entsendet – hier manifestiert sich der Anspruch des Monarchen, alleiniger Träger der Staatsgewalt zu sein – , hinter dem Wertaufdruck fast verschwindet, wirkt aus der Rückschau wie ein Tribut an die Macht ökonomischer Sachzwänge, die jene der Fürsten ablösen sollte. Der Künstler, von dem der Entwurf stammt, ist, wie bei Banknoten üblich, nicht genannt: Es war Friedrich Wilhelm Wanderer (1840 – 1910), der mit diesem kleinen Kunstwerk nicht mehr bezahlen konnte, denn die Banknote wurde erst ab Februar 1911 in Umlauf gesetzt und kam damit gerade recht zur 2. Marokkokrise und zum ,Panthersprung nach Agadir’.
(Vorderseite)Reichskassenschein zu 5 Mark, 1904 (Vorderseite)Reichskassenschein zu 5 Mark, 1904
(Rückseite)
Während es auf dem ,Flottenhunderter’ gewissermaßen schon nach Pulver riecht, zeigt der Fünfmarkschein von 1904 eine friedlichere Szenerie. Im Jahr des russisch-japanischen Krieges dehnt sich der Ozean bis zum Horizont, ohne dass ein einziges Kriegsschiff in Sicht wäre. Am Ufer allerdings ist neben den Sinnbildern der verschiedenen Berufe auch der Bug eines Wikingerschiffs zu sehen, der doch wohl eher an Kampf als an Kommerz denken lässt. ,Germania’ indes ist schwertlos und hat auch den Schild (mit dem preußischen Adler, kenntlich am schwarz-weißen Brustschild) zur Seite gestellt; die Spitze der Lanze, die sie über der Schulter trägt, ist von einem Wimpel verhüllt.
Das Auge des Betrachters wird in die Bildmitte gelenkt, zu der Taube mit dem Ölzweig im Schnabel, die aus der Hand eines Kindes auffliegt: Das Deutsche Reich bietet der Welt den Frieden! Nur auf den ersten Blick widerspricht dieser Aussage das Motiv der Rückseite. Denn der furchterregende Drache Fafner aus der Nibelungensage – um keinen geringeren handelt es sich – huldigte bekanntlich dem Motto “Ich lieg’ und besitz'”, war zwar wehrhaft, doch lediglich Verteidiger des Status quo. Also der würdige Vertreter einer Nation, die in Ruhe die Früchte friedlichen Erwerbs genießen möchte!
Die massenhafte Ausgabe dieser Banknote 1913/14 stand freilich schon im Zeichen der Kriegsvorbereitung, da der Gegenwert in Reichsgoldmünzen aus dem Verkehr gezogen und dem ,Reichskriegsschatz’ zugeführt wurde. Im Krieg, 1917, wurde der von Alexander Zick (1845 – 1907) entworfene Schein dann durch ein weniger programmatisches Nachfolgemodell ersetzt. Der Hunderter blieb bis zum Ende der Monarchie unverändert und wurde, von der Inflation längst entwertet, erst 1925 amtlich außer Kurs gesetzt.
Martin Senner
Inventarnummern:
Schlossmuseum Jever, Inv.-Nr. 10469, 10465
Literatur:
Holger Rosenberg: Die Banknoten des Deutschen Reiches ab 1871, Regenstauf 91994/95, 43b, 22a
Jürgen Koppatz: Geldscheine des Deutschen Reiches, Berlin (Ost) 21988, 1.08, 2.31.1 (und 2.26)
© Schloßmuseum Jever