Gusseiserne Ofenplatte von 1634 [49]

odm0501_1Abb. 1: Gusseiserne Ofenplatte mit der Darstellung des Urteils des Königs Salomo und wei Porträtmedaillons. Legende unleserlich. Gußjahr J634. Maße: 67,5 x 52,5 cm.

Die mit einem Relief versehene gusseiserne Platte aus dem Jahre 1634 gehörte ursprünglich als Seitenstück zu einem sogenannten Fünfplatten- oder Kastenofen. Solche Kastenöfen, “Bilegger” oder Hinterlader hielten seit dem Ende des 16. Jahrhunderts Einzug in die norddeutschen Bauernhäuser. Während bis dahin die offene Herdstelle der Diele oder der Küche die einzige Wärmequelle im Hause war, ermöglichte der Ofen die Einrichtung eines zweiten beheizbaren und vor allem rauchfreien Raumes – der “Stube”. Der dort an der Wand zur Herdfeuerstelle aufgestellte Ofen, dessen Korpus aus fünf Platten (Front-, Seiten-, Boden- und Deckenplatten) bestand, wurde durch eine Wandöffnung von der Rückseite befeuert. Bis ins 18. Jahrhundert hinein änderte sich an der Grundform des Kastenofens wenig.

Die entscheidende Voraussetzung für die Herstellung solcher Ofenplatten war die Verflüssigung des Eisens, die erst mit der Einführung der Hochofentechnik und den dort erreichten hohen Temperaturen möglich geworden war. Während der Eisenguß zunächst der Produktion von militärischem Gerät diente, wurde im ausgehenden 15. Jahrhundert die Herstellung von Ofenplatten eine der Hauptaufgaben der Eisenhütten. Wo sich die notwendigen Rohstoffe (Erz, Wasser, Holz) vorfanden, wurden im 16. Jahrhundert solche Eisen verarbeitende Betriebe errichtet. Zu den wichtigsten Regionen des Ofengusses gehörten u. a. das Siegerland, die Eifel, das Saargebiet und auch der Harz.

Wie alle älteren Ofenplatten ist auch die von 1634 im sogenannten offenen Herdguß hergestellt worden. In eine Masse aus Ton, Kiesel und Kohlenstaub wurde das aus Holz oder Metall gearbeitete Modell gepreßt und die so entstandene Form mit dem flüssigen Eisen ausgegossen. Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Gusses war ein sauber ausgeführtes Modell, das von einem Kunsthandwerker, dem Formenschneider, gearbeitet wurde. Viele dieser Modelle wurden über einen langen Zeitraum immer wieder verwendet und zuweilen auch unter den Eisenhütten ausgetauscht. So besitzt nach Auskünften von H. Rüggeberg (19. 10. 1990) das städtische Museum in Flensburg einen mit der jeverschen Platte identischen Abguß aus dem Jahre 1606. Er ordnet ihn einer Gießerei westlich der Weser zu.

Die Formenschneider betätigten sich in der Regel als reproduzierende Künstler. Ihre Motive entnahmen sie zumeist druckgraphischen Vorlagen, wie sie seit dem 15. Jahrhundert die Techniken des Holzschnittes und des Kupferstiches lieferten. So dürfte das Motiv der abgebildeten Ofenplatte letztlich auf einem Holzschnitt Jost Ammans (1539-1591) zurückzuführen sein, der die alttestamentarische Geschichte über das Urteil Salomos illustriert. Das Geschehen erscheint in der Darstellung auf der Ofenplatte zwar wesentlich reduziert, in der Grundanlage sowie in einzelnen Details aber ergibt der Vergleich von Vorlage und Ofenplatte erkennbare Übereinstimmungen (vgl. Abb. 2).

odm0501_2Abb. 2: König Salomos Urteil. Holzschnitt von Jost Amman, 1564.

Wie viele andere kunsthandwerkliche Produkte (z. B. Mobiliar, Tapeten, Kacheln, Gefäße) konnten auch solche gußeiserne Ofenplatten neben ihrem praktischen Zweck ästhetische Funktionen erfüllen und damit zur Vermittlung geistiger Inhalte beitragen. Mit der Aufnahme eines biblischen Motivs ist auch die Ofenplatte des Schloßmuseums als Bildträger in den Zusammenhang der Durchsetzung neuer Glaubensvorstellungen zu betrachten, die sich im Zuge der Reformation herausgebildet hatten und “die sinnliche, individuelle Erlebbarkeit des Heilsgeschehens” (Engelbracht; Ommen 1987) betonten. Nicht zuletzt aufgrund ihrer anschaulichen Dramatik und ihres lehrhaften Charakters bildete die alttestamentarische Erzählung über das weise Urteil des Salomo die Grundlage vieler Darstellungen des Kunsthandwerks im 16. und 17. Jahrhundert.
Peter Schmerenbeck

Salomos Urteil
Zu der Zeit kamen zwei Huren zum König und traten vor ihn. Und das eine Weib sprach: Ach, mein Herr, ich und dies Weib wohnten in einem Hause, und ich gebar bei ihr im Hause. Und über drei Tage, da ich geboren hatte, gebar sie auch. Und wir waren beieinander, daß kein Fremder mit uns war im Hause, nur wir beide. Und dieses Weibes Sohn starb in der Nacht; denn sie hatte ihn im Schlaf erdrückt. Und sie stand in der Nacht auf und nahm meinen Sohn von meiner Seite, da deine Magd schlief, und legte ihn an ihren Arm, und ihren toten Sohn legte sie an meinen Arm. Und da ich des Morgens aufstand, meinen Sohn zu säugen, siehe, da war er tot. Aber am Morgen sah ich ihn genau an, und siehe, es war nicht mein Sohn, den ich geboren hatte.

Das andere Weib sprach: Nicht also; mein Sohn lebt und dein Sohn ist tot. Jene aber sprach: Nicht also; dein Sohn ist tot, und mein Sohn lebt. Und redeten also vor dem König. Und der König sprach: Diese spricht: Mein Sohn lebt und dein Sohn ist tot; jene spricht: Nicht also; dein Sohn ist tot und mein Sohn lebt. Und der König sprach: Holet mir ein Schwert her! Und da das Schwert vor den König gebracht ward, sprach der König: Teilet das lebendige Kind in zwei Teile und gebt dieser die Hälfte und jener die Hälfte. Da sprach das Weib, des Sohn lebte, zum König (denn ihr mütterliches Herz entbrannte über ihren Sohn): Ach, mein Herr, gebt ihr das Kind lebendig und tötet es nicht! Jene aber sprach: Es sei weder mein noch dein, laßt es teilen! Da antwortete der König und sprach: Gebet dieser das Kind lebendig und tötet’s nicht; die ist seine Mutter.

Und das Urteil, das der König gefällt hatte, erscholl vor dem ganzen Israel, und sie fürchteten sich vor dem König; denn sie sahen, daß die Weisheit Gottes in ihm war, Gericht zu halten.
Die Heilige Schrift, l Könige 3

Literatur:
Die Heilige Schrift. Nach der deutschen Übersetzung Martin Luthers. Stuttgart 1963.
Engelbracht, Gerda; Ommen, Eilert: Gußeiserne Ofenplatten. Nienburg 1987. (Der Katalog enthält ein ausführliches Literaturverzeichnis zum Thema.)
Selb, Gerhard: Wirkungen der Merian-Bibel auf den künstlerischen Eisenguß. In: G. Ulrich Großmann (Hg.), Renaissance in Nord-Mitteleuropa I. Berlin 1990, S. 258-274.
Die Angaben zur Provenienz der Ofenplatte sowie zur druckgraphischen Vorlage sind einer schriftlichen Mitteilung Helmut Rüggebergs vom 19. 10. 1990 entnommen.

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