Das Objekt des Monats sind zwei Druckstöcke für den Handdruck auf Stoffen, genauer: Modeln für das Blaudrucker-Handwerk. Diese Modeln wurden in Europa seit rund 600 Jahren von einem spezialisierten Berufsstand, dem Modelschneider oder Formenstecher, hergestellt. Abb. l zeigt einen Druckstock aus Zetel, einem Dorf der Friesischen Wehde. Dieser ist noch ganz aus dem vollen Holz gearbeitet, was auf ein hohes Alter hinweist, während Abb. 2 einen ehemals in der jeverschen Färberei Möhlmann gebrauchten Model zeigt, der eine andere, jüngere Machart aufweist: sein Muster wird nicht mehr aus Holz, sondern aus Messingdrahtstiften und -bändern gebildet. Aber auch dieser, sehr fein gearbeitete Druckstock dürfte etwa 200 Jahre alt sein.
Zum Stechen der Holzmuster nahm der Formschneider wegen der feinen Faser im allgemeinen Birnbaumholz oder, wenn etwas besonders Feines und Dauerhaftes geschnitten werden sollte, Buchsbaumholz. Geeignetes Holz mußte trocken, gleichadrig, astfrei und lange abgelagert sein, um ein Verziehen und damit ein unregelmäßiges Druckbild zu vermeiden. Daß die Handwerker hervorragende Hölzer besaßen, zeigt Model Nr. 2: durch jahrhundertelanges Drucken hat sich auf der Rückseite das Holz ca. 5 mm zusammengepreßt, dem Block sieht man den vieltausendfachen Gebrauch an: und trotzdem ist die Musterschicht immer noch ganz eben, ohne jede Verwerfung.
Der für ein Model vorgesehene Holzblock wurde von beiden Seiten gehobelt, gerichtet und geglättet. Die Mitte der Rückseite erhielt ein Loch, um sie auf einen Zapfen der Werkbank stecken und nach Belieben drehen zu können. Dann wurde die Musterzeichnung auf die geglättete Seite des Holzes übertragen, anschließend das Muster aus dem vollen Holz mit speziellen Stechbeiteln und Schlageisen herausgearbeitet; wobei das drukkende Holz erhaben stehen blieb. Dieses sorgfältige Schneiden und Herausarbeiten geschah “gantz genau an dem Schwartzen fort” (Kurtze Anleitung . . ., S. 23), also entlang der Vorlage mit unbedingter Genauigkeit und gleichzeitig mit künstlerischem Gespür. Dabei wurde mit dem inneren Teil der Figur begonnen, damit die äußeren Linien des Umrisses während des Schneidens nicht beschädigt wurden. Und was die Arbeitszeit angeht: man weiß von dem Augsburger Formenschneider Jost de Necker um 1512, daß er in der Lage war, monatlich zwei bis drei solcher Druckstöcke zu schneiden.
Sehr feine Konturen im Model erzielte man durch eingeschlagene Messingblechstreifen; abschließend wurde die Druckfläche mit Bimsstein und Terpentinöl geschliffen. Auf der Rückseite wurde durch zwei Einkerbungen im Holz ein Handgriff angebracht. Der Formenstecher beendete die Arbeit durch Einschlagen der Rapportstifte in jeder Ecke des Models. Diese Stifte hinterlassen beim Abdruck einen Punkt auf dem Stoff und bieten so eine Hilfe für das jeweilige Ansetzen des Models. Model 2 zeigt eine geschickte Integration dieser Rapportstifte in das Muster, so daß, wenn der Handdrucker einen guten Tag hat, der Ansatz nicht zu erkennen ist.
Zu den ursprünglich reinen Holzformen kamen im 18. Jahrhundert durch den Wandel im Zeitgeschmack und Stil (Barock – Rokoko) Muster, die mit Messingstiften und -streifen gebildet wurden. Da es unmöglich war, zarte, verspielte Motive mit winzigen Pünktchen aus Holz zu stechen, wurde mehr und mehr aus Metall das Muster gebildet. Darüber hinaus waren diese “Picotmodeln” auch länger haltbar. Übrigens wurden die Messingstifte bei Model 2 nicht ins Holz geschlagen und dann plan geschliffen, sondern der Modelbauer setzte mit Hilfe speziellen Werkzeugs von vornherein jeden Stift auf gleicher Höhe ins Holz!
Welch hohes Niveau diese Handwerker in ihren Modeln entwickelten, zeigt die Wertschätzung, die sie durch ihre Zeitgenossen im Jahr 1786 erfuhren: “Es ist diese Kunst in allen Ländern eine freye Kunst, und nirgends, außer in Hamburg, eine geschlossene Innung.
Ihren Lehrlingen ist auch nicht eine gewisse Zahl der Jahre zum Lernen festgesetzt, sondern es kommt darauf an, was jemand für Fähigkeiten besitzt, und wie er mit dem Künstler einig werden kann, so, daß sie bald in mehr, bald in weniger Jahren, solche Kunst lernen können. In der Fremde aber muß er sich noch am meisten perfectionieren. So bald ein Formschneider sich an einem Orte etablieren will, bedarf es weiter nichts, als daß er seine Kunst gehörig versteht, so ist er sogleich Herr und Meister.” (Krünitz, S. 488)
Eine gute Blaudruckerwerkstatt verfügte über einige Hundert dieser Model, seien es nun Bordüren, Flächenmuster oder einzelne Blumen, sog. “Füller”. Da dies Handwerk etwa seit der letzten Jahrhundertwende verschwunden ist, d. h. vom industriellen Maschinendruck verdrängt wurde, kann man vielleicht erahnen, wie viele Modeln und damit wie viele Mustervariationen im Textil “design” verlorengegangen sind. Vor allem nach dem letzten Krieg wurden diese Modeln aus der Not heraus verbrannt! Mehrfach schon berichteten Besucher meiner Werkstatt, daß man die “ollen Blöcke” verheizt hätte, denn das Holz brannte gut und Kohlen gab es nicht – am nächsten Morgen hätte dann im Aschekasten das Messingmetall geklimpert.
Abschließend noch einige Anmerkungen zu der Frage, ob die abgebildeten Modeln “typisch friesische Muster” zeigen: So etwas wie regionaltypische Musterungen hat es im Blaudruck nicht gegeben. Zum einen orientierten sich die Musterzeichner und Formenstecher meist an Vorlagen wie Kupferstichen, wie sie überall als Vervielfältigung in Europa zu finden waren, und die Formenstecher handelten durchaus über weite Entfernungen mit ihren Druckstöcken und fertigten ein Muster, wenn es Anklang fand, mehrfach an. So findet sich ein jeversches Muster des frühen 19. Jhs., welches einen großen Blumenstrauß zeigt, völlig identisch in einem Museumsexemplar in Ungarn wieder! Zum anderen handelten die Blaudruckmeister selber auch mit ihren Modeln oder tauschten sie untereinander aus, um ihrer Kundschaft Neues bieten zu können. So zeigt Model l Blumen noch ganz in kräftig “barocker Manier”, während Model 2 ein Beispiel ist für die Nachahmung eines Damast-Webeffektes, ein sog. “gesterntes” Muster; beide Arten der Musterung lassen sich in ähnlicher Form in Norddeutschland wie in Bayern finden.
Unterschiedlichste Modeln sowie die Arbeitsweise mit solchen Druckstöcken können auch in der historischen Blaufärberei im Kattrepel in Jever besichtigt werden.
Georg Stark
Literatur:
Kurtze, doch nützliche Anleitung von Form- und Stahl-Schneiden, verlegt von Joh. Mich. Funken, Erfurt 1740.
Joh. Georg Krünitz, Ökonomisch-technologische Encyklopädie, 14. Teil (Stichwort: Formschneider) Berlin 1786.
E. Flechsig: Albrecht Dürer, Band I, 1928. J. Lippmann: Über Anfänge der Formschneidekunst, Repertorium der Kunstwissenschaft, Wien 1878.
G. Reitz: Der Formschneider oder Modelstecher, ein schöpferisches Handwerk. In: Sächsische Heimatblätter, Dresden 1959.
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