Das Objekt des Monats Dezember mutet äußerlich schon etwas urtümlich an: Ein zangenartiges Gerät mit zwei runden Platten an den Stielenden, mit denen offenbar etwas zusammengepreßt werden konnte. In der Tat ist die eigentliche Funktion nicht mehr für jedermann erkennbar. Zu sehr ist das, was zur Gebrauchsfähigkeit des Geräts erforderlich war, in Vergessenheit geraten. Deshalb können auch voreilige Deutungsversuche, die das Gerät eher als Folterinstrument denn als Waffeleisen interpretieren, nicht überraschen.
Dabei gehörten diese “Neejahrskokenisder”, wie man die Waffeleisen in Ostfriesland und im Jeverland nannte, bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zur Grundausstattung mancher bürgerlicher und bäuerlicher Haushalte. Zwischen Weihnachten und Neujahr wurden sie aus den Abstellkammern hervorgeholt, gereinigt und mit einer Speckschwarte eingerieben, damit sich die Neujahrskuchen nach dem Backvorgang vom heißen Eisen wieder lösten. Denn heiß wurden die beiden Platten, wenn die Zange ins offene Herdfeuer oder ins Feuer der Kochherde gehalten wurde, um den zwischen die beiden Platten gegossenen Teig zur hauchdünnen Waffel zu backen.
Die Zubereitung kam einer Zeremonie gleich, entsprechend dem Stellenwert, den diese “Neujahrs- oder Krullkuchen” im Jahresbrauchtum einnahmen. Die Zubereitung konnte eine Person allein nur mühsam bewerkstelligen, eine weitere war zumindest erforderlich, wenn es darum ging, die Waffeln vom heißen Eisen zu lösen. Während des Backens stand die Schüssel mit Teig (Mengsei), der mit Kardamon und etwas Anis würzig zubereitet war, neben der Feuerstelle. Mit einem Löffel wurde der Teig vorsichtig in die Mitte der unten liegenden Blattseite gegeben, anschließend die obere Platte heruntergedrückt und ins Feuer gehalten. Nachdem das Eisen gleichmäßig von jeder Seite etwa zehn Sekunden erhitzt worden war, wurde es rasch aus dem Feuer herausgenommen. Der über die Ränder hinweggequollene Teig wurde mit einer Schere oder einem Messer abgeschnitten, die Platten geöffnet und der noch elastische Teig gerollt oder in einen Trichter gegeben, damit die runde Waffel eine ansprechende Form erhielt.
Am Silvesterabend und am Neujahrsmorgen standen dann die knusprigen Waffeln als Festtagsgebäck zur Verfügung für Verwandte, Nachbarn und Kinder, die bei ihren Glückwünschen “to’t nige Jaar” mit den Neujahrskuchen beköstigt wurden.
Waffeln sind als Festtagsgebäck, das die Neujahrszeit begleitet, im gesamten mitteleuropäischen Raum weit verbreitet gewesen. Das bezeugen zahlreiche ältere Darstellungen. So zeigt das Januarbild aus einer Reihe von Monatsbildern auf der Domuhr zu Münster in Westfalen eine um den Kamin versammelte Familie bei dem Backen der Neujahrskuchen. Auf diesem Bild des 16. Jahrhunderts übernimmt der “Hausvater” die Aufgabe, das Jahresgebäck herzustellen – ein sinnfälliges Beispiel für die zentrale Stellung eines Vorgangs, der ganz in die patriarchalisch ausgerichtete Familienordnung eingebettet gewesen ist.
Der Hausherr verwendet übrigens ein rechteckiges Waffeleisen, eine Form, die im ostfriesisch-jeverländischen Raum eher ungebräuchlich gewesen ist. Hier überwiegen die Zangen mit den runden Platten. Wann die Waffeleisen genau aufgekommen sind, entzieht sich unserer Kenntnis. In den Niederlanden sind sie bereits um 1300 im Gebrauch gewesen, und es spricht einiges dafür, daß sie zur selben Zeit oder doch wenig später auch im deutschen Nordseeküstenbereich verwendet wurden. Ihre Herstellung lag bis ins 19. Jahrhundert bei den Schmieden. Auch das ausgestellte Waffeleisen, das im Jahre 1764 angefertigt wurde, ist aus der Arbeit eines (Dorf)-Schmiedes hervorgegangen. Es handelt sich um eine Hochzeitsgabe. Auf der einen Platte sind innenseitig über der getrennten Jahreszahl die Initialen der Brautleute eingraviert: J. A. und J. M. In der Mitte dieser Platte wurde eine Bockwindmühle eingemeißelt, zugleich ein Hinweis darauf, daß der Bräutigam ein Müller war, worauf auch die Inschrift auf der gegenüberliegenden Platte hinweist, mit der der göttliche Segen um guten Wind und schönes Wetter erbeten wird.
Eingemeißelter Spruch auf der Innenseite der anderen Platte: GOTT VERLEIHE BARMHERZIGKEIT l BEYÄME (?), WIND UND SCHÖNE ZEIT / DEN STÖRM LAS BALD VORÜBER GEHN l DAS WIR EIN FRÖLICH WETTER SEHN.
So gerät das äußerlich recht schlichte Waffeleisen zu einer kulturgeschichtlichen Quelle, in der über seine eigentliche Funktion als Backinstrument hinaus Aspekte zur Volksfrömmigkeit, zum Brauchtum allgemein und schließlich auch zur Geschichte der Windmühlen selbst angesprochen werden. Auf der Platte ist eine Bockwindmühle dargestellt, deren inzwischen nur noch museal gepflegter Typus durch Wilhelm Buschs’ Bildergeschichte vom “Bauern und dem Windmüller” (um 1860) fast unsterblich geworden ist. Obwohl die holländische Turmwindmühle während des 18. Jahrhunderts den älteren Windmühlentyp abzulösen begann, waren die Bockwindmühlen zu dieser Zeit immer noch der am häufigsten anzutreffende Mühlentyp in Nordwestdeutschland.
Auch in dieser Hinsicht besitzt das Objekt des Monats Dezember also Aussagefähigkeit, wenn auch nur als Einzelbeleg und sicher schon etwas entfernt von der eigentlichen Aufgabe des Geräts, knusprige Neujahrskuchen herzustellen und damit den Festtagsschmaus zum Jahreswechsel kulinarisch abzurunden.
Uwe Meiners
Literatur:
Ahlrichs, Richard: Beim Neujahrskuchenbacken. In: Friesische Heimat. Beilage zum Jeverschen Wochenblatt, Nr. 75, 30. Dezember 1978.
Thiele, Ernst: Waffeleisen und Waffelgebäcke in Mitteleuropa. Köln 1959.
Westing, Bernhardine: Die Wangerooger Küche. Leer 1857 (Nachdruck Leer 1988).
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