Eiserner Sparherd um 1900 [33]

odm0100kKüchenherd aus einem Landarbeiterhaus an der ostfriesischen Küste, um 1900, schwarz lackiert mit farbig-emailliertem Veilchendekor, eiserne Ofenplatte mit 4 Kochstellen und Regulierhebel, links: Feuerungsraum, Luftklappe und Aschkasten, rechts: Backofen und Warmhaltefach.

Die Feuerstelle diente dem Menschen seit altersher zur Bereitung der Nahrung und Erwärmung der Behausung. Spuren steinzeitlicher ‘Feuerherde’ finden sich auch in unserer Region. Oft bildete ein platter Stein in einer kesselartigen Bodenvertiefung die Unterlage für das offene Feuer. Die Bezeichnung “Herd” spiegelt nicht nur historische Sprachverflechtung und -kontinuität wider. Sowohl im Altfriesischen und anderen nordseegermanischen Sprachen als auch im Althochdeutschen bedeutet es “Feuerstelle zum Heizen und Kochen”. Die frühere plattdeutsche Bezeichnung “Herd” für Land- und Wohnbesitz zeigt, daß erst das wärmende Feuer die Voraussetzung für eine Wohnstätte schuf. Das offene Feuer unter dem weit ausladenden Kamin war in Norddeutschland wie auch im benachbarten Holland, zumindest im ländlichen Raum, bis ins 20. Jahrhundert verbreitet.

Doch brachte das ebenerdige offene Feuer als einzige Heiz- und Kochmöglichkeit auch erhebliche Nachteile: ständige Rauch- und Rußbelästigung, unangenehme Strahlungshitze, schlechte Brennstoffausnutzung, ungünstige Arbeitshöhe – und es konnte nur ein Gericht gekocht werden. Der seit 1400 bekannte Guß eiserner Platten hatte den Bau feuerfester Kaminplatten (plattdeutsch: Achterplaatt) ermöglicht. Die Feuerstelle war an die Wand gerückt und hatte einen Rauchabzug erhalten. In einigen Regionen ersetzte die eiserne Platte die rückwärtige Mauer des Kamins, so daß auch der Nachbarraum erwärmt wurde. Mit der Herstellung und der Ausfuhr geschlossener Kastenöfen erlebten die mitteldeutschen Eisenwerke bis zum 30jährigen Krieg eine Blütezeit.

Die bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts einsetzende Holzknappheit und -teuerung war in den Jahrhunderten der Entdeckungen und der Experimente ein Ansporn für Erfinder, die Hitze wirksamer zu kanalisieren und funktionelle ‘sparsame’ Kochherde zu entwickeln. Die Beseitigung aller Nachteile des offenen Feuers mußte letztlich zur Einschließung des Feuers in einem tischhohen Herd und zu seiner Konzentrierung auf die Gefäßböden führen. Der deutsch-amerikanische Erfinder Rumford baute bereits vor 1800 “Kochmaschinen” mit eingelassenen Kochtöpfen, da die Wärmeübertragung von der Herdplatte auf die durch jahrzehntelangen Gebrauch meist verbeulten oder unebenen Böden des Kochgeschirrs sehr schlecht war. Er konstruierte auch den eisernen Herdring; das Kochloch konnte nun verschiedenen Topfgrößen angepaßt werden. Des weiteren war es erforderlich, einen Rost einzubauen, um auch die seit 1750/1800 auf den Markt drängende Stein- bzw. Braunkohle als Brennstoff nutzen zu können. Der freistehende Herd erwies sich zudem als notwendige Anpassung an die durch die Industrialisierung veränderten Wohnverhältnisse (kleine Etagenwohnungen, häufiger Wohnungswechsel). Im Gegensatz zum eingemauerten Herd war der Sparherd leicht und transportabel. Die Propagierung holz- und kohlesparender Herde verdeutlicht sich in Prämierungsaktionen aus dem Jahre 1801: “Eine Köchin, die bei ihrer Herdfeuerung besonders sparsam gewesen ist, erhielt als sichtbares Zeichen und Anerkennung ihres löblichen Fleißes eine silberne Denkmünze.” (Faber)

Voraussetzung für einen Sparherd – wie er abgebildet ist -, war auch die Regulierung der Luftzirkulation durch die Luftzufuhrklappe bzw. Verstellbarkeit des Rauchabzugkanals mittels eines Hebels. Unser für das 19. Jahrhundert als ‘modern’ zu bezeichnender Herd verfügt über einen Back- und Bratofen, der von unten und oben von Abgasen erhitzt wird, sowie über ein Warmhaltefach rechts unten – gern genutzt zum Aufheizen der Backsteine, die abends das klamme Federbett ein wenig erwärmten. Feuchte Schuhe und gesammeltes Reisigholz wurden ebenfalls zum Trocknen in das Wärmefach hineingelegt.

Da der Herd ursprünglich in einem einfachen Landarbeiterhaus stand, war Torf aus dem ostfriesischen Moor sicherlich das Hauptbrennmaterial. Teure Briketts verwendete man auf dem Lande sehr sparsam. Ein in feuchtes Zeitungspapier gewickelter Formling aus Lehm und Braunkohle hielt die Glut über die ganze Nacht hinweg.

Fabrikat und Herstellungsjahr des Küchenofens sind nicht mehr exakt auszumachen. Doch läßt das Dekor eine ungefähre Datierung zu. Die schwarze Brandlackierung war von ca. 1850 bis 1920 üblich, das naturalistische, violett und grün emaillierte Veilchenmuster verweist auf den Jugendstil zu Beginn dieses Jahrhunderts. Der einst umlaufende Messingring ist vielleicht abgesägt worden, um den Herd zwischen die Mauern eines früheren Kamins stellen zu können. In einer Wohnküche erfüllte der Herd wahrscheinlich bis in die 60er Jahre unseres Jahrhunderts seinen Zweck. Starke Abnutzungsspuren wurden zwischenzeitlich überarbeitet. So versuchte ein Sammler, den heutzutage begehrten ‘Kokaabend’ wieder aufzumöbeln. Der Aschkasten und ein Seitenblech des Warmhaltekastens wurden erneuert, alle Seitenflächen derart gründlich überlackiert, daß selbst das Veilchendekor stellenweise mit schwarzer Farbe überdeckt ist. Die unteren Messingknöpfe und die verschnörkelten Füße sind mit einer Goldbronze überzogen. Die Herdplatte weist Rostschäden auf, ein Entrostungsversuch hat tiefe Kerben hinterlassen. Eine Möglichkeit, solche Schäden zu vermeiden, wäre es gewesen, dem ‘Wegweiser zum häuslichen Glück’ aus dem Jahre 1908 zu folgen: “Man scheuert die Rostflecken mit Sand oder Asche weg und stäubt alles rein. Alsdann rührt man gute Ofenschwärze mit schwarzem Kaffee, Spiritus oder Essig dickflüssig an. Durch Hinzufügen von ein wenig Schuhwichse entsteht ein schöner, dunkler Glanz. Man trägt mit einem Lappen etwas auf und bürstet glänzend. Die geschliffenen Teile des Ofens werden mit Sand, Asche oder Schmirgelleinen gescheuert. Die Herdplatte reibt man jeden Tag nach dem Spülen mit einem Petroleumlappen ab und scheuert sie mit Sand, Asche oder Schmirgelleinen blank.”

Eine fast spiegelblanke Herdplatte war der Stolz aller Hausfrauen. Auch heute noch stehen in einigen Haushaltungen diese einst teuren Feuerherde neben neuzeitlichen Gas- und Elektroherden.

Die Entwicklung des Küchenherdes beeinflußte vor allem unsere Nahrungskultur. Mit der Möglichkeit, mehrere Gerichte gleichzeitig zu kochen, zu braten und die Kochhitze zu regulieren, konnte einerseits schneller und zum anderen gesünder und variantenreicher gekocht werden. Die Nahrungsgewohnheiten paßten sich seit Beginn der Industrialisierung veränderten Arbeits- und Lebensgewohnheiten an, denn zugleich entstanden neue Kochbücher. Kolonialwaren verfeinerten den Speisezettel, und mit Hilfe des Herdes erweiterten neue Konservierungsmethoden (wie Einkochen) das Speiseangebot auch im Winter.
Magdalena Siemens

odm01002kkAnzeige für Stubenöfen und Kochherde (Jeversches Wochenblatt v. 14. 11. 1909).

Literatur:
Die heidnischen Alterthümer Ostfrieslands, hg. v. Dr. med. Tergast, Emden 1879.
Faber, Alfred: Entwicklungsstufen der häuslichen Heizung, München 1957.
Giedion, Siegfried: Die Herrschaft der Mechanisierung, Frankfurt 1987.
Lehnemann, Wingolf: Der Küchenherd, in: Beruf der Jungfrau, Oberhausen 1988.
ders.: Eisenöfen, München 1984.
Wegweiser zum häuslichen Glück. Praktischer Leitfaden des Haushaltungsunterrichts für Jungfrauen, hg. v. e. Kommission des Verbandes Arbeiterwohlfahrt, Gladbach 1911.

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