Stolz sei sie gewesen, als das neue Gerät dann in der Küche gestanden habe, erzählt Frau H. bei der Übergabe der Küchenmaschine an das Schloßmuseum. Angeschafft worden war sie schon Mitte der fünfziger Jahre. Gebraucht aber, fügt sie hinzu, habe sie die Maschine nur ein paarmal.
Nach Jahren der Not und des Mangels, der Warenknappheit und der Provisorien waren in Westdeutschland zu Beginn der fünfziger Jahre mit der Restauration der wirtschaftlichen Verhältnisse, durch Währungsreform und Marshallplan die Voraussetzungen für das sogenannte Wirtschaftswunder geschaffen worden.
Nachdem zunächst der große Nachholbedarf an Verbrauchsgütern wie Nahrungsmittel und Kleidung im Vordergrund gestanden hatte, gewannen seit Mitte der fünfziger Jahre die technischen Konsumgüter an Bedeutung. Neben dem Fahrzeugbau konnte vor allem die elektrotechnische Industrie überdurchschnittliche Zuwächse verzeichnen. 1955 bestand z.B. ein Drittel der von dem Versandhaus Quelle umgesetzten Waren aus technischen Produkten.
Was später als “Elektrifizierung der Haushalte” bezeichnet wird, das war der Einzug einer Vielzahl neuer Geräte, vor allem im Bereich der Hausarbeit. Staubsauger, Kühlschränke, Waschmaschinen oder eben die elektrische Küchenmaschine versprachen, bisher aufwendige und zeitraubende Tätigkeiten effektiver zu gestalten und die Arbeit im Haushalt zu erleichtern.
Als Meisterstück technischen Erfindungsreichtums erscheint die ausgestellte Küchenmaschine der Firma Bosch auch heute noch. Mit ihrem umfangreichen Zubehör konnte sie eine kaum überbietbare Fülle von Funktionen ausführen. Das Rühren und Kneten von Teigen, das Schneiden und Raspeln von Gemüse und Salaten, das Schälen von Kartoffeln, das Hacken von Fleisch und das Stopfen von Würsten, die Herstellung von Pommes frites, Makkaroni und Spritzegebäck, das Mahlen von Kaffeebohnen und natürlich das Mixen von Cocktails – all dies konnte von der Maschine “mühelos und in kürzester Zeit erledigt (werden).” (Bosch-Begleitheft).
Über ihren Gebrauchswert hinaus aber versprach die Maschine weit mehr: Zahlreiche Ausstellungen hatten seit Beginn der fünfziger Jahre dem westdeutschen Publikum vor Augen geführt, wie zeitgemäßes, modernes Leben auszusehen hatte. Das New Yorker Museum of Modern Art hatte z.B. dem Thema “Industrie und Handwerk schafft neues Hausgerät in USA” eine Wanderausstellung für Westeuropa zusammengestellt. Mit Mitteln aus dem Marshallplan finanziert, wurde sie 1951 in Stuttgart eröffnet und vermittelte in einem Monat 60.000 Besuchern einen Eindruck des modernen “american way of life”. Unter dem Motto “Wir bauen ein besseres Leben” präsentierte zwei Jahre später eine andere Ausstellung ein Idealhaus für die Kleinfamilie, ausgestattet mit einer technisierten Küche und Hausrat aus zwölf Ländern.
Bei aller Modernität aber – und das vermittelt das Begleitheft zur Küchenmaschine in einer Bildfolge recht deutlich – sollte das Gerät sich einfügen in die herkömmliche Gestaltung der Hausarbeit, die alte Rollenverteilung von Frau und Mann nicht aufheben: Von der erfahrenen Hausfrau, die auf der Vorderseite des Heftes abgebildet ist, erhält die junge Ehefrau und Mutter – so die nächsten Bilder – das moderne Gerät, um mühelos und schnell der Familie alles servieren zu können. Der zweifelhafte Gewinn für die Frau, das verheißt wohl die Abbildung der Rückseite des Heftes, könnte sein, sich bei einem selbst gemixten Erdbeer-Flip entspannt auf die Rückkehr des Mannes vorzubereiten.
Unfreiwillig aber scheint dieses Bild auch auf ein Moment zu verweisen, das dazu beitrug, daß solche Geräte nach der Anschaffung zuweilen schnell in die hintere Schrankecke oder auf den Dachboden gelangten: Der oft unbeantworteten Frage nach einer sinnvollen Verwendung der durch den Einsatz des Gerätes gewonnenen Freizeit stand wohl die Macht der Gewohnheit gegenüber, in bewährter Weise weiter zu arbeiten.
Peter Schmerenbeck
Literatur:
Bänsch, Dieter (Hg.): Die fünfziger Jahre. Tübingen 1985
Begleitheft zur Küchenmaschine der Firma Bosch. Stuttgart 1955
Heiß und kalt. Die Jahre 1945 – 69. Berlin 1986
Selle, Gert: Design-Geschichte in Deutschland. Köln 1987
© Schloßmuseum Jever