Das Schloss Jever besticht durch Vielerlei, ganze Zimmerausstattungen mit den originalen Möbelstücken wird der Besucher des 21. Jahrhunderts jedoch nicht vorfinden. Nach der Abdankung des letzten Oldenburger Großherzoges verteilte sich das Inventar auf die verbliebenen Wohnsitze der Familie oder wurde verkauft. Einige Verkleidungen der Wände, die sich nicht so einfach mitnehmen ließen und wahrscheinlich auch nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprachen, blieben allerdings hängen: eine Papiertapete aus der Zeit um 1840, vier wandfüllende Gobelins aus dem 17. Jahrhundert und drei “Garnituren” Ledertapeten aus dem 18. Jahrhundert zeugen noch heute vom einstigen, adeligen Wohngeschmack.
Eine der drei Ledertapetenausstattungen ist im Laufe dieses Winters aus dem Erdgeschoss in das Obergeschoss gezogen und kommt dort erst richtig zu Geltung. Zudem findet sie hier deutlich bessere klimatische Bedingungen vor. Vor dem Umzug mussten die Tapeten zunächst am alten Standort abgelöst werden, danach wurden sie von zwei Restauratorinnen gereinigt und neu aufgespannt. Dabei wurden Löcher verschlossen und schadhafte Stellen ausgebessert. Um eine Luftzirkulation zu gewährleisten, befinden sich die Tapetenbahnen jetzt auf großen, hölzernen Rahmen, die wie Bilder an der Wand hängen. Um diese optisch in den Raum einzufügen, hat unser Tischler in den letzten Wochen Rahmen und Verkleidungen angepasst. Das eindrucksvolle Gemälde “Apoll und die Musen” des niederländischen Maler Ovens sowie die repräsentative Standuhr des jeverschen Uhrmachers Adam Bach haben hier erneut ihren Platz bezogen.
Der aufwendig gestaltete Fußboden wurde übrigens bereits im Sommer 2020 restauriert: Nach der Abtragung der alten Lackschicht kittete die Restauratorin Anja Hänisch kleine Fehlstellen. Nach der anschließenden Ölung kam das schöne geometrische Muster dieses Bodens wieder deutlich hervor, das sich aus vielen kleinen Quadraten zusammensetzt.
Was wohl Großherzog Paul Friedrich August zu diesen Veränderungen sagen würde? Sein Wohngeschmack in puncto Tapete war durch die kräftigen Farbgestaltungen der in Pompeji und Herculaneum gefunden Wandbemalungen geprägt, die im 19. Jahrhundert für Schlösser und Herrenhäuser die Vorlagen lieferten. Im Eckraum hinter dem Gobelinsaal schrieb er seine Briefe, umrahmt von einer Wandbespannung in violett, die in verschiedene Felder mit „bunten pompejanischen Arabesken“ unterteilt war. Zwischen den Fenstern befand sich 1842 ein Kamin, der eine mit leichten Messingtüren verschließbare Öffnung aufwies, „welche das Licht der glühenden Kohlen bei weit geöffneten Flügelthüren durch die ganze Enfilade der Zimmer des nordwestlichen Flügels scheinen läßt“.
Mit dieser heimeligen Vorstellung im Kopf gehe ich wieder hinter die Absperrung und zurück in mein Büro. Schon bald sind die Arbeiten in diesem Raum so weit abgeschlossen, dass er den Besucher*innen wieder offensteht und das Thema „Wohnen im Schloss“ erlebbar macht.
Von Maren Siems, die sich seit Anbeginn ihrer Zeit im Schloss dafür interessierte, wie etwas umsichtig gereinigt, vorsichtig ausgebessert oder erneuert wird.