Der Wind heult, die Salzwiesen Außendeichs sind überflutet und an manchen Tagen schlagen die Wellen bis an den Deichfuß: der Winter ist an der Nordseeküste Sturmflutzeit!
Abb. 1 und 2: Die Salzwiesen am Vareler Hafen wurden am 30.Januar 2022 bis an den Deichfuß überspült. Fotos: A. Sander.Die Flut vom 16. Februar 1962 ist jedoch ein herausragendes Ereignis und hat sich fest in das kollektive Gedächtnis der Menschen an der Küste eingebrannt; besonders wegen der hohen Verluste an Menschenleben in Hamburg. Auch meine Mutter hatte diese Flut vor 60 Jahren in Varel erlebt und sie schilderte wie viele der Zeitzeugen diese stürmischen Stunden immer wieder eindringlich. Zwar gab es keine Toten in Friesland zu beklagen. Doch auch rund um den Jadebusen hatte diese Sturmflut große Wunden geschlagen, und an einigen Stellen im Wangerland, z.B. bei Schillig und St. Joostergroden, brachen die Deiche.
Abb. 3 und 4: Die Sturmflut vom 16. Februar 1962. Fotos: Franz Tuhy.Erste Warnungen hatte es schon Stunden zuvor im Rundfunk gegeben, die Deichtore wurden geschlossen und viele Hilfskräfte zur Deichwache eingeteilt. Viele Küstenbewohner glaubten zunächst nicht an die Gefahr. In Friesland wurden damals sogar Busse bereitgestellt, um notfalls die Bevölkerung in Sicherheit bringen zu können. In diesen Stunden besann man sich auf die alten Warfen von Minsen und Wiarden, die bereits den Menschen vor dem Deichbau im Mittelalter Schutz geboten haben.
Abb. 5 – 8: Gemeinsam werden die Deichbrüche geflickt. Fotos: Franz Tuhy.Gemeinsam wurden Sandsäcke gefüllt und mit vereinten Kräften versucht, die Deichlücken zu schließen. Gegen 23 Uhr erreichte die Flut zwischen Wangerooge und Dangast ihren Höchststand. Zu diesem Zeitpunkt war schon auf einer Strecke von rund 10 km am Augustgroden der Deich zerstört. Zum Glück drehte sich der Wind und nahm an Stärke ab. So konnten am nächsten Morgen die schlimmsten Schäden besichtigt werden.
Abb. 9 und 10: Zerstörter Deich bei Augustgroden. Fotos: Franz Tuhy.Der Fotojournalist Franz Tuhy (1919-1992) dokumentierte mit seinen Bildern dieses einschneidende Ereignis anschaulich. Er lebte mit seiner Familie in Hohenkirchen, arbeitete für die regionalen Zeitungen und nutzte viele Stunden, um insbesondere im Wangerland auf Motivsuche zu gehen. Seine Aufnahmen sind heute wichtige historische Dokumente. Ein großer Teil seines photographischen Nachlasses befindet sich im Archiv des Schlossmuseums Jever und wird dort geordnet und inventarisiert. Franz Tuhy machte sich natürlich auch in der Nacht des 16. Februar auf, fuhr in diesen Stunden und an den nächsten Tagen die Deichlinie ab und hielt die Menschen, die gemeinsam gegen das Wasser arbeiteten, und die gewaltigen Schäden und Deichbrüche mit seiner Kamera fest.
Abb. 11: Deichbruch bei Schillig. Foto: Franz Tuhy.Mich beeindruckt, wie Franz Tuhy den Zusammenhalt der Menschen dokumentiert hat und damit aufzeigt, wie wichtig dies auch heute für uns ist, wo wir an der Küste sicherlich durch den Klimawandel immer mehr Sturmfluten, Wind und Wassermengen ausgesetzt sein werden.
Abb. 12 und 13: Die Gedenksteine am Hafen von Dangast erinnern an die schweren Sturmfluten. Fotos: A. Sander.Von Antje Sander, die das Meer liebt, aber ihm auch großen Respekt entgegenbringt.