Doch wie kam es dazu, dass ein Laie einen solchen Schatz zusammentrug?
Der Zivilangestellte der Bundeswehr hegte ein großes Interesse für die Geschichte seiner Heimat. Dies äußerte sich vor allem in seiner Mitwirkung in verschiedensten Gremien und Organisationen, wie dem Archäologischen Arbeitskreis Weser-Ems und dem Familienkundlichen Arbeitskreis im Jeverländischen Heimat- und Altertumsverein. Durch dieses umfangreiche Engagement wurde Albers schließlich vom Landkreis Friesland zum ehrenamtlichen Regionalbeauftragten für Bodendenkmalpflege ernannt. Der in Schortens wohnende Albers galt als leidenschaftlicher Sammler von Gegenständen zur Geschichte des Jeverlandes. So erscheint es wenig verwunderlich, dass Albers über die Jahre eine stattliche Sammlung an verschiedensten Objekten aufbaute. Nachdem der Hobbyarchäologe überraschend verstarb, ging der umfangreiche Nachlass an das Schlossmuseum Jever.
Zum Nachlass von Heino Albers gehörte unter anderem eine Reihe von Bilddokumenten; herauszuheben sind unter anderem eine Anzahl von Aufnahmen jüdischer und christlicher Grabsteine im Landkreis Friesland. Den größten Teil des Nachlasses bilden jedoch eine Fülle archäologischer Objekte, welche Albers als Lesefunde von Feldern und Wiesen, sowie bei Bauarbeiten sicherte. Sie geben einen guten Einblick in rund 1200 Jahre friesischer Alltagsgeschichte.
Die meisten Funde stammen aus der Altstadt Jevers und seiner Graften, aber auch von verschiedenen Fundorten im Landkreis Friesland.
Altstadt und Graften:
In den Jahren 2010-2013 errichtete der Jeveraner Unternehmer Dr. Karl Harms als Investor das St.Annen-Quartier. Da das Großprojekt im historischen Stadtkern Jevers lag, war die Durchführung archäologischer Untersuchungen ein Bestandteil der Baugenehmigung. Während der Grabungen im Sommer 2010 wurden zahlreiche Funde gemacht, hauptsächlich Keramik, die ein breites Bild des Alltags in Jever im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit vermitteln. Nach dem Ende der Ausgrabungen wurde Albers ein Teil der Objekte überlassen.
Für uns heute ungewohnt sind Reste sogenannter Grapen, dabei handelt es sich um im 12.Jh. entstandene Kochgefäße. Die runden, bauchigen Gefäße konnten mit ihren drei Standfüßen auch gut an das offene Feuer der Herdstellen platziert werden. Dank ihrer Form gaben sie die Hitze gleichmäßig an das Gargut ab.
Deutlich luxuriöser sind hingegen die aus dem 18.Jh. stammenden Porzellanfragmente. Nach der Entdeckung des europäischen Porzellans in Meißen 1709 wurde es schnell ein gefragtes Statussymbol, dementsprechend findet es sich auch in bürgerlichen Haushalten in Jever.
Aus den Schlachtabfällen wird ersichtlich, welche Tiere bevorzugt gegessen wurden. Auch wenn die Tierarten noch zu bestimmen sind, finden sich hier größere Kieferfragmente von Schlachtvieh.
Ein Stück Schlacke zeugt neben Resten eines Ofens von Metallverarbeitung.
Die Graften gehören – wie das Schloss und Fräulein Maria – seit Jahrhunderten zu Jever. Diese Gräben wurden in früherer Zeit auch zur Abfallbeseitigung benutzt. Diesem Umstand verdanken wir interessante Funde. Dabei stechen vor allem mehrere, durch das Wasser intakte Steinzeugkrüge und Glasflaschen hervor, aber auch ein Bajonett.
Bei den aus dem 18.Jh. stammenden Steinzeugkrügen handelt es sich um sogenannte Selterswasserflaschen. Der Handel mit Mineralwasser ist nämlich alles andere als ein neuzeitliches Phänomen. Schon 1581 wurde durch Jakob Theodor Tabernaemontanus, einem Wormser Arzt, die heilende Wirkung des Niederselterser Brunnenwassers attestiert. In Tabernaemonatnus Buch „Der Neuw Wasserschatz” wird berichtet, dass das schier magische Brunnenwasser eine Vielzahl von Krankheiten lindern oder sogar heilen soll. Trotz der gängigen alltäglichen Praxis, Wasser unkompliziert vom nächstgelegenen Brunnen zu schöpfen, stellte sich im Laufe des 17.Jh. ein schwunghafter Handel mit Mineralwasser aus verschiedensten Heilquellen ein. Dementsprechend tranken die Jevereraner bereits vor 250 Jahren Wasser von Fachinger und Selters. Die Glasflaschen stammen durchgehend aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Um diese Zeit lösten diese nämlich die Steinzeugflaschen für Mineralwasser ab, da sie mittlerweile günstiger und leichter waren. Ein besonderes Exemplar ist dabei die Relief-Flasche der Fettköter Brauerei. Die 1848 gegründete Brauerei ist die Vorgängerin der “Jever Brauerei”. Deren damaliger Inhaber, Theodor Fettköter, war 1871 auch Gründungsmitglied der “Getreuen zu Jever”.
Zwischen den Graftfunden finden sich jedoch nicht nur Alltagsgegenstände aus dem zivilen Leben: aus dem Wassergraben wurde auch ein aus dem Anfang des 20. Jahrhundert stammendes Bajonett – vermutlich ein Seitengewehr Typ 98/05 – geborgen. Bajonette wurden seit dem 17. Jahrhundert neben ihrer Grundeigenschaft als Messer üblicherweise als Aufsatz (“Seitengewehr”) am Lauf des Gewehres angebracht, sodass dieses als eine Art kurze Stoßlanze fungierte. Die Waffe misst eine Gesamtlänge von 50 cm und besitzt eine Klingenlänge von 37 cm.
Funde aus dem Landkreis:
Auch die im Landkreis Jever gefundenen Objekte geben einen interessanten Einblick in den Alltag. In Pöttken Warf, einem Teil von Schortens, hat Albers bei Feldbegehungen sogenannte Muschelgruskeramik gefunden. Bei dieser Keramik handelt es sich um eine Besonderheit Frieslands im Frühmittelalter. Denn im Gegensatz zur gängigen Praxis, dem Ton Sand oder Häcksel als Magerungsmittel hinzuzufügen, mischt der Töpferer zerstoßene Muschelschalen bzw. Muschelgrus bei.
Vom Gelände des Klosters Östringsfeld stammt eine Reihe von Dachziegeln aus dem Spätmittelalter, sogenannte “Mönch und Nonne”. Diese Ziegelform stammt noch aus dem römischen Reich und war in Europa vor allem bei Kirchen- und Repräsentationsbauten lange Zeit verbreitet. Hergestellt werden diese, in dem eine noch feuchte Tonröhre mittels einer Schnur halbiert und anschließend gebrannt wird. Den Ziegel der unteren Schicht bezeichnet man dabei als „Nonne“, den der oberen als „Mönch“. Die leicht konische Form der Ziegel ermöglicht das Überlappen der jeweiligen Anfangs- bzw. Endstücke. Heutzutage findet man Mönch und Nonne Ziegel vorwiegend im mediterranen Raum, in Deutschland wurden diese ab dem 13./14.Jh. häufig vom sogenannten Biberschwanz-Dachziegel abgelöst.
Die jüngsten, gerade einmal rund 100 Jahre alten Funde stammen aus Wilhelmshaven. Beim Bau des Kreisverkehrs Jadeallee / Emsstraße, wurden verschiedene Objekte gefunden, diese reichen von Fragmenten eines Weckers, über Porzellangeschirr, bis zu den Resten eines Schuhs.
Fazit:
Abschließend zusammengefasst bilden Keramikfragmente, welche vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit reichen, den Hautbestandteil der Sammlung von Heino Albers. Zu den Funden gehören jedoch auch Schlachtabfälle, Sarggriffe, Steinzeugkrüge, moderne Glasflaschen und ein moderner Wecker. Es sind kleine Schätze wie diese, welche die Leidenschaft und Verbundenheit von Albers für die Geschichte seiner Heimat verdeutlichen. Durch das stetige Engagement des Schortenser Hobbyarchäologen konnten nicht nur viele friesische Kleinode gerettet werden, sondern auch ein Teil friesischer Landesgeschichte.
Erik Vollrath und Max Piechotta