Viele erinnern sich noch gut daran: bei einem Spaziergang durch den Schlosspark zu Jever fielen drei Höckergänse auf, von denen ein Ganter mit einer Fehlbildung seines Flügels auf die Welt gekommen ist. Bereits der alte Museumsleiter Grahlmann erläuterte die Geschichte des missgebildeten Flügels vor mehr als 30 Jahren und beruhigte die besorgten Besucher.
Nachdem der Dritte im Bunde vor vielen Jahren an Altersschwäche gestorben war, schmiedete sich das verbliebene Gänsepaar noch stärker zusammen. Beide wurden nie Eltern einer kleinen Gänseschar. Daher war im Frühjahr des öfteren zu beobachten, dass die Gänse die Küken der anderen gefiederten Bewohner der Schlossgraft adoptierten. Besonders beliebt war der Nachwuchs der Schwäne. Die Schwanenmutter konnte gewiss sein, dass Onkel und Tante Hökergans zur Stelle waren und lautstark und tapfer jeden Marder, die Silbermöwen und auch zu aufdringliche Besucher abwehrten. Ihre Aufgaben nahmen die beiden oft so ernst, dass die eigentliche Mutter Probleme hatte, selbst für ihre Küken zu sorgen.
Vor vielen Jahren erblindete der Ganter auf einem Auge. Er konnte sich aber immer noch sehr gut, auch mit Hilfe seiner Partnerin, orientieren. Im Sommer 2016 fand Schlossgärtner Thomas Werner den Ganter aber hilflos in der Schlossgraft. Immer im Kreis schwimmend suchte er verzweifelt das Ufer. Das zweite Auge war entzündet und der Gänserich konnte offenkundig nichts mehr sehen. In einer – leider etwas undichten – Wathose im Wasser stehend, gelang es Thomas Werner schließlich, den alten Ganter an Land zu hieven und zur Tierärztin zu bringen.
Mit einer Augensalbe ausgestattet wurde im Schlossinnenhof eine geschützte Krankenstation eingerichtet und auch die Gänsin dazu gebracht. Jeden Tag versorgte der Schlossgärtner das entzündete Auge, doch nach 10 Tagen war noch keine Besserung zu spüren. Der alte Ganter verlor trotz der guten Pflege sein Augenlicht.
Das Gänsepaar hielt jedoch eng zusammen und entwickelte eine Überlebensstrategie. Die Gänsin watschelte voraus und rief, der alte Gänseherr lief vorsichtig hinterher. Sie führte ihn zum Futter und Wassertrog und war immer an seiner Seite. Das Paar meisterte das Leben so wunderbar, dass wir beschlossen, nach einer Möglichkeit zu suchen, die den beiden über 30jährigen noch ein geborgenes Alter bieten konnte.
Und nun in der Weihnachtszeit ein kleines Wunder: als eine junge Gänsin vor einigen Wochen trotz des Herbstes ein einzelnes Küken aufziehen wollte, sind die beiden Alten wieder Paten geworden und nehmen ihre Aufgabe – die Fürsorge für ein Küken – wieder sehr ernst. Es scheint sogar so, als ob der Ganter zumindest schemenhaft wieder etwas sehen kann. Das kleine Gänseküken wächst und gedeiht unter der Fürsorge und dem Schutz des alten Paares.
Wir freuen uns sehr, dass die beiden ein so schönes Zuhause haben. Alle Gänse und Enten werden die Adventszeit auf dem Hof beruhigt und sicher verbringen können. Eine große Gänseliebe hat in guten und in schlechten Zeiten gehalten (Antje Sander).