26. November 2005 – 31. März 2006
Vom 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts stand die Kunst der Gestaltung von Einband- und Vorsatzpapieren in hoher Blüte. Immer wieder wurde mit neuen Techniken und Farben experimentiert. Von einfachen Farbverläufen bis hin zu komplizierten Marmorierungen reicht die Palette.
Besonders schöne Vorsatzpapiere haben sich in Varel (Waisenstift) und in Jever (u.a. Schüler- und Lehrerschriften des Mariengymnasiums) erhalten.
Waisenhaus Varel – Gründung und Gebäude
Am nordwestlichen Stadtrand von Varel zieht ein ansehnlicher zweigeschossiger Backsteinbau die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich, der 1996 bis 2000 aufwendig renoviert und saniert wurde. Name und Titel des Stifters lassen sich noch heute aus den Initialen ablesen: Anton Graf Von Aldenburg Edler Herr Zu Varel Und [Kniphausen]. Graf Anton l. (1633-1680), der illegitime Sohn Graf Anton Günthers v. Oldenburg, stiftete dieses Gebäude 1671 als Waisenhaus. Im Waisenhaus, das auch als Waisenstift bezeichnet wurde, sollten nach dem ursprünglichen Plan etwa 100 Kinder, die sich selber an- und auskleiden können, betreut, d.h. beherbergt, beköstigt, in der Waisenhausschule unterrichtet und in der hauseigenen Ökonomie beschäftigt werden. Das Eintrittsalter lag zwischen 6 und 7 Jahren, Knaben waren so bis zum 14., Mädchen bis zum 15. Lebensjahr versorgt. Aufgenommen wurden Waisen und sozialbedürftige Kinder.
Die Buntpapiere des Waisenhauses
Trotz der Verluste an Schriftgut beim Vareler Stadtbrand 1751 haben sich eine große Anzahl von Akten, die das Waisenhaus betreffen, erhalten. Der Bestand umfaßt Akten zur Grundstücks- und Vermögensverwaltung der Stiftung, über das Personal und die Waisenkinder, über Prozesse und andere Gerichtssachen und über die Waisenhausschule. Vor allem die Rechnungsakten heben sich durch ihre kunstvoll gestalteten Bucheinbände und Vorsatzblätter aus Buntpapier heraus. Diese Schmuckpapiere erreichten schnell nach ihrem Aufkommen einen hohen Beliebtheitsgrad. Gelangten die Buntpapiere im 16. und 17. Jahrhundert größtenteils durch den Export nach Deutschland, so wurden sie später auch von Frauen und Künstlern, die ohne Arbeit waren, in Werkstätten hergestellt. Aufgrund der unterschiedlichen Herstellungstechniken ergeben sich zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten.
Kleisterpapiere
Marmorierpapier
Brokatpapier und Modelnegativdruck
Riesel-Marmorpapier
Industrielle Fertigung
Der Fortschritt der Mechanisierung machte auch in der Buntpapierherstellung keinen Halt. Im Jahre 1798 erfand der Arbeiter Louis Robert nahe Paris lebend, eine Maschine die in endlosen Bahnen Papier herstellen konnte. 1843, nach vielen Verbesserungen in der Buntpapier-Fabrikation, war es möglich Rollenpapier einzusetzen. Als erstes Papier von der Rolle stellte man das Walzendruckpapier her. Das im Hochdruckverfahren produzierte Buntpapier wurde zunächst auf Maschinen für Kattundruck hergestellt, da sich die gleichen Holzdruckwalzen auch dafür eigneten. Das maschinell gedruckte Buntpapier galt als billige Massenware. Da die Papiere dünn und unscharf im Druck waren, sollte durch starkes Wachsen und Glätten eine Qualitätssteigerung erreicht werden, denn die Nachfrage nach preisgünstigem, optisch ansprechendem Ersatz war groß.