24. Juni – 14. Oktober 2001
Historismus im historischen Raum – Das Original und historisierendes Interieur im Schloss zu Jever
In seinem Beitrag zum Gemeinschaftsprojekt Historismus in Nordwestdeutschland mit dem Landesmuseum Oldenburg, dem Ostfriesischen Landesmuseum Emden, dem Museumsdorf Cloppenburg und dem Palais Rastede fragte das Schlossmuseum Jever nach den Einflüssen historischer Ästhetik im kleinstädtisch-ländlichen Milieu des ausgehenden 19. Jhs. Im Mittelpunkt standen das bürgerliche Interieur und die höfische Innenarchitektur.
Historismus in Nordwestdeutschland. Eine prunkvolle und widersprüchliche Epoche – präsentiert in einem Ausstellungsprojekt an fünf Orten: In einem bisher einmaligen Kooperationsprojekt beleuchten das Freilichtmuseum Cloppenburg, das Ostfriesische Landesmuseum Emden, das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, das Schlossmuseum Jever sowie das Palais Rastede in fünf zeitgleichen Aussteilungen vom 24. Juni bis 9. September 2001 die Epoche des Historismus.
Die fünf Ausstellungen thematisieren verschiedene Phänomene der Zeit zwischen 1850 und 1900:
- Wohnkultur vom herrschaftlichen Salon bis zur ländlichen Wohnstube
- Technischer Wandel im Kunstgewerbe von den neuen Herstellungstechniken bis zu Reproduktionen und Fälschungen
- Angewandte Kunst im Historismus vom Emder Silber bis zur elektrischen Tischlampe
- Historismus in der Bildenden Kunst am Beispiel des Bremer Malers Arthur Fitger
- Die Gründerzeit mit den Augen des Schriftstellers Theodor Fontane (1819-1898)
Ein umfangreiches Begleitprogramm lädt Besucher aller Altersstufen zu Vorträgen, Lesungen und Konzerten ein. Angebote für Familien reichen von Mal- und Mitmach-Aktionen bis zu einem großen Kinderfest.
Die Ausstellung wird namhaft gefördert von der Stiftung Niedersachsen und der Oldenburgischen Landesbank.
“Fortschritt” und “Vertrauen in eine bessere Zukunft” waren aber nur eine Seite der Medaille; die andere hieß “Rückbesinnung auf überkommene Werte”. Nach dem nüchternen Biedermeier machte sich in allen Schichten der Gesellschaft ein starkes Bedürfnis nach üppigem Schmuck und äußerer Pracht bemerkbar, wie es in früheren Jahrhunderten dem Adel eigen war. Im Rückgriff auf die großen Epochen der Kunstgeschichte und unter Einsatz neuer Techniken verstanden es Künstler und Handwerker, den Glanz längst vergangener Tage in den modernen Haushalt einziehen zu lassen. Die Wiederbelebung alter Stile führte zu rasch wechselnden Geschmacksrichtungen, die man als Neogotik, Neorenaissance, Neobarock und Neorokoko bezeichnete.
Die Epoche des Historismus deckt sich im oldenburgischen Staatsgebilde weitgehend mit der Herrschaft des Großherzogs Nikolaus Friedrich Peter (1853 – 1900). Unter seiner Ägide wurden nicht nur die Schlösser in Oldenburg und Jever zeitgemäß ausgestaltet, sondern u.a. das Kunstgewerbemuseum in Oldenburg – Vorgänger des Landesmuseums – gegründet. Auch das Ostfriesische Landesmuseum in Emden kann die Entstehung seiner Sammlungen bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. So zeigt sich der Historismus in Nordwestdeutschland als das eigentliche Zeitalter der Museen.
Die an fünf Standorten zeitgleich stattfindende Gemeinschaftsausstellung “Historismus in Nordwestdeutschland” präsentiert je nach Sammlungsschwerpunkten der beteiligten Häuser unterschiedliche Phänomene dieser bemerkenswerten Kunstepoche.
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Begleitband. Das Gemeinschaftsprojekt wird namhaft von der Stiftung Niedersachsen und der Oldenburgischen Landesbank (OLB) gefördert.
Der Historismus hatte aufgrund der oft negativen Bewertung der Gründerzeit und ihrer Kunstproduktion bis in die jüngste Zeit nur wenig Beachtung und museale Würdigung gefunden. Es schien daher angebracht, diese Epoche – in der zugleich die Wurzein vieler Museen liegen – einmal näher zu beleuchten.
Aus der wissenschaftlichen Erschließung von Beständen, die in großen Teilen noch nie umfassend präsentiert worden waren, entwickelte sich die Idee einer gemeinsamen Ausstellung. Nach einer zweijährigen Vorbereitungszeit konnte der Gedanke der Vernetzung, der mit dem Projekt MUSEALOG eng verbunden ist, in neuer Form umgesetzt werden: An Stelle der gängigen Wanderausstellung entstand eine Gemeinschaftsausstellung mit fünf zeitgleich stattfindenden Ausstellungen, die sich in ihren Inhalten zu einem facettenreichen Gesamtbild ergänzen.
Zu den Vorarbeiten für die Ausstellung gehörten neben der wissenschaftlichen Erschließung der Objekte und der inhaltlichen wie gestalterischen Ausarbeitung der Themen umfangreiche Restaurierungsarbeiten: Viele der gezeigten Objekte hatten längere Zeit in den Magazinen der Museen gestanden. Sie mussten daher zunächst gereinigt, an schadhaften oder instabilen Stellen gesichert und sozusagen “auf Hochglanz” gebracht werden.
Unterstützt wird das Ausstellungsprojekt von der Stiftung Niedersachsen und der Oldenburgischen Landesbank.
Das Schlossmuseum Jever widmet sich in seiner Ausstellung zwei Aspekten der Lebenswelt zwischen 1850 und 1900: zum einen den Einflüssen des Historismus im kleinstädtisch-ländlichen Milieu, zum anderen der Raumgestaltung der gehobenen Schichten im Schloss zu Jever.
So wie die historisierende Geste den öffentlichen Raum in Gestalt repräsentativer Bauten und im Denkmalskult durchdringt, so findet sie ihren Niederschlag auch in alltäglichen Zusammenhängen. Gerade im Wohnbereich – mit seinen sozialen Differenzierungen und seiner mehr oder weniger repräsentativen Funktion – findet sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Ansammlung von praktisch-nützlichen und repräsentativen (Schau-)Gegenständen. Die Palette reicht vom überlieferten originalen Einzelstück über die am historischen Vorbild orientierte qualitätvolle Handarbeit bis hin zu den Erzeugnissen der frühen Massenproduktion.
Von der Orientierung der kleinstädtischen Kultur am historistischen Geschmack zeugen Möbel, Gebrauchsgegenstände, Wandbilder sowie einzelne Schaustücke und Pokale in den vielfältigsten stilistischen Bezügen. Der im Jeverland populäre Bismarckkult, der eine Vielzahl an Ehrengaben mit “altdeutschen” Elementen hervorgebracht hat, unterstreicht die politische Dimension des Historismus.
Dieser Aspekt spielte auch bei der hochschichtlichen Raumgestaltung eine wichtige Rolie. Die erhaltenen historischen Räume im Schloss zu Jever gewähren einen unmittelbaren und lebendigen Blick auf die ästhetischen Wertvorstellungen und die Lebenswelt der höheren Schichten in der Zeit des Historismus. Unter dem Oldenburger Großherzog Nikolaus Friedrich Peter (1853-1900) wurden der Audienzsaal mit der Renaissance-Decke, der Raum mit den – inzwischen frisch restaurierten – Gobelins von 1680 und das so genannte Barnutzzimmer in die historistische Umgestaltung der Schlossräume integriert. Die in Jever erhaltenen Interieurs aus dem späten 19. Jahrhundert zeigen damit eine bewusste Kombination der alten historischen Raumausstattungen mit historisierenden Elementen.
Die wertvolle Kassettendecke des 16. Jahrhunderts galt zudem als vorbildhafte kunstgewerbliche Arbeit, die durch Abgüsse in Gips und Lichtdruckproduktionen einem breiten Publikum zugänglich gemacht wurde.
Gegenstandswelten des Historismus im kleinstädtisch-ländlichen Milieu.
Historismus im historischen Raum – Original und historisierendes Interieur im Schloss zu Jever.
Ostfriesisches Landesmuseum Emder Rüstkammer:
Technischer Wandel im Kunstgewerbe: Neue Herstellungsverfahren
Die Eröffnungsfeier der Hannoverschen Westbahn am 20. Juni 1856
Wohnkultur im Historismus
Emder Silber des 19. Jahrhunderts
Bürgerliches Vereinswesen in Emden
Museumsdorf Cloppenburg:
Wohnen im Stil des Historismus
Der Wandel des ländlichen Bauens zwischen 1870 und 1930
Möbelbau auf dem Lande
Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg:
Echt oder beinahe echt? Reproduzieren, Nachahmen, Fälschen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts
Buch- und Plakatkunst des Historismus
Angewandte Kunst im Historismus
Der bürgerliche Salon der Gründerzeit
Arthur Fitger (1840-1909), ein Bremer Maler des Historismus
Palais Rastede:
Mit den Augen Fontanes (1819-1898) – Der Dichter zu bildenden Künstlern der Gründerzeit
In 13 Aufsätzen vertiefen die Autoren die Themen der Ausstellungen und ergänzen sie mit Ausführungen zur städtischen und ländlichen Architektur in der Zeit des Historismus.
Inhalt des Begleitbandes:
- Rainer Driever
“… um in den Hallen und Stuben der Vorfahren wieder einziehen zu können” – Mentalitätsgeschichtlche Aspekte einer Stilzitatbewegung - Michael Reinbold
“Echt oder nur beinahe echt?” – Historisieren, Reproduzieren, Fälschen: Das Bedürfnis nach repräsentativer Kultur im Zeitalter des Historismus - Martina Forkel, Uwe Meiners
Vertiko und Polsterstuhl – Ländliches Wohnen im Stil des Historismus - Ewald Gäßler
Städtische Architektur des Historismus am Beispiel Oldenburg - Michael Schimek
“Spottgeburten aus Dreck und Feuer?” – Zur historistischen Architektur ländlicher Bauten im nördlichen Oldenburg zwischen 1870 und 1914 - Eberhard Pühl
Historistische Gartenkunst in Oldenburg und Wilhelmshaven - Eva Frömchen-Neddermann, Hellmut Strobel
Mit den Augen Fontanes – Der Dichter zu bildenden Künstlern der Gründerzeit - Bernd Küster
Buchkunst im Historismus - Wolfgang J. Türk
Arthur Fitger (1840-1909) – Ein Bremer Maler des Späthistorismus - Martina Glimme, Friedrich Scheele
Gold und Silber im Gewand der Zeit - Hans-Peter Glimme, Aiko Schmidt
Gemeinsam durch die Zeiten: das Vereinswesen des 19. Jahrhunderts in Emden - Antje Sander
Historismus im historischen Raum – Das Original im historisierenden Interieur am Beispiel des Schlosses zu Jever - Dirk Witthaut
“Du Reif von Eisen fest, Du heilig Unterpfand” – Die Eröffnungsfeier der hannoverschen Westbahn in Emden am 20. Juni 1856