24. Juni – 31. Oktober 1992
Badeleben. Zur Geschichte der Seebäder in Friesland
Als die Landesadministratorin der Herrschaft Jever im Mai 1804 der Insel Wangerooge eine Badekutsche und ein Strandzelt zur Errichtung einer Seebadeanstalt stiftete, war damit auch im oldenburgischen Teil der “südlichen Nordsee” das Badeleben offiziell eröffnet worden.
Seitdem sind fast 200 Jahre vergangen. Die Reise ins Seebad, anfangs noch ein Privileg Wohlhabender und von gesundheitlichen Interessen bestimmt, ist inzwischen zu einem Vergnügen vieler Menschen geworden. Die Lust am Reisen gehört heute zu den ökonomisch umsetzbaren Werten einer Industriegesellschaft, für die Freizeit und Urlaub zentrale Begriffe geworden sind.
Anfänge und erste Blüte
Bereits in der römischen und griechischen Antike erfreuten sich “Seebäder” eines regen Zuspruchs, gerieten dann aber in Vergessenheit. Meer und Strand blieben jahrhundertelang den Fischern und Seefahrern vorbehalten. Erst mit der Aufklärung und wachsendem medizinischem Fortschritt besann man sich der alten Traditionen.
Im Gebiet des heutigen Landkreises Friesland setzte der Seebädertourismus im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts ein. Lokale Zentren waren dabei zunächst das Seebad auf der Insel Wangerooge und die “Reichsgräflich Bentincksche Seebadeanstalt zu Dangast”, die beide 1804 gegründet wurden und zwischen 1820 und 1850 als “herrschaftliche Badeetablissements” eine erste Blüte erlebten.
Rund um die Warmbadehäuser und die zeittypischen “Badekutschen” vollzog sich eine Form des Badens, die noch weitgehend von medizinischen und funktionalen Erwägungen geprägt war. Ganz im Vordergrund des zeitgenössischen Badelebens stand das “Conversationshaus”, in dem Musik, Spiel und Tanz und das gesellschaftliche Leben des Adels und eines aufstrebenden gutbetuchten Bürgertums die eigentlichen Höhepunkte der “Saison” darstellten.
Familienbäder und Sommerfrischen
Neuen Schwung für die Seebadeorte brachten die nach der Reichsgründung 1871 einsetzende Industrialisierung und der Aufstieg des Deutschen Reiches. Sichtbarster Ausdruck der damit möglich gewordenen Ausweitung des Reisens war das Eisenbahnnetz, dessen Ausläufer 1890 die friesländische Küste erreichten. Bedingt durch den wachsenden Zustrom immer neuer Bevölkerungsschichten entwickelte sich jene zunächst heftig umstrittene Badekultur, wie sie uns heute noch geläufig ist. Das “Badekostüm” wurde freizügiger und modischer. Der Strandkorb löste die Badekutsche als Symbol des Strandlebens ab. Die Einführung der Familienbäder unterlief die alte Einteilung des Strandes in Damen- und Herrenbäder. Der Kauf von Souvenirs wurde zum festen Bestandteil der Urlaubs- und Ferienreise, und die Ansichtspostkarte erlebte ihre erste große Zeit.
In diesem Umfeld profitierten auch die alten Sielhafenorte Hooksiel und Horumersiel-Schillig und erneut das Seebad Dangast von der zunehmenden “Reiselust” der Deutschen. Sie etablierten sich als “Sommerfrischen”, in denen die lokale Bevölkerung, aber auch gestreßte Großstädter Ruhe und Erholung abseits des Trubels der “Modebäder” suchten.
Urlaub und Camping
Mit der Einführung der bundeseinheitlichen Urlaubsgesetzgebung vom 8. Januar 1963 sowie durch den Anstieg der individuellen Mobilität (Pkw) und steigendem Wohlstand war es den Bundesbürgerinnen und -bürgern möglich geworden, Urlaub zu nehmen. Die tatsächliche “Demokratisierung des Reisens” war ein wesentliches Moment des Wirtschaftswunders. Die Campingbewegung der 50er Jahre entpuppte sich als fester Bestandteil des Tourismus. Nach und nach wurde das Zelt durch den Wohnwagen, dem Eigenheim auf Rädern, ersetzt. An der friesischen Küste entstand in Schillig einer der größten Campingplätze Deutschlands.
Durch die industrielle Fertigung von Andenken erleben die Orte heute eine wahre “Überschwemmung” mit Souvenirprodukten. Trotz ihres massenhaften Erscheinens erfreuen sie sich einer großen Beliebtheit und werden gerne als vergegenständlichte Erinnerung mit nach Hause genommen.
Auch die Ansichtskarte, seit 1890 populär, ist ein wichtiges Element der Urlaubsreise geblieben. Die auf Hochglanz gebrachte Urlaubsbotschaft vermag sich nach wie vor gegenüber der selbst gefertigten Fotografie zu behaupten.